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Von grauen Hosen und Sommer im November

Liebe St. Pauli-Gemeinde,

als Gastschreiber versuche nun auch ich erstmals meine Edelfeder-Fähigkeiten an den geneigten Leser zu bringen. Folgende Zeilen sollen allen Daheimgebliebenen einen kleinen Eindruck vom Auftritt unserer fightenden Frontzecken – bitte verzeiht, aber diese Alliteration musste einfach mit in den Text – gegen zahnlose Münchner Löwen vermitteln. Ich hoffe, dem einen oder anderen gefällt’s.

Freitagabend, 2. November, feinstes Hamburger Schmuddelwetter. Nach der wöchentlichen Maloche macht sich unsere kleine Reisegruppe, bestehend aus fünf trinkfesten Nordlichtern, auf den Weg gen Minga. Nicht, wie so oft in den vergangenen Jahren, mit dem Sonderzug, sondern mit dem Flieger. So richtig schiggimiggi. Am Hamburger Hauptbahnhof wird stilecht das erste Helle geköpft, gefolgt von einem weiteren in der S1 Richtung Airport. Kurzzeitige Panik, als in Ohlsdorf plötzlich (unerwartet freundliche) HVV-Bedienstete die Bahn frequentieren.

Die so: „Meine Herren, im HVV ist das Konsumieren von alkoholischen Getränken seit einigen Monaten verboten.“ Wir so: „???“ Die so: „Wo kommen Sie denn her?“ Wir so, Geistesblitze verströmend: „Aus Kiel!“ Die so: „Ach aus Kiel! Na, dann stellen sie die Pullen mal bitte weg. Und später noch einen angenehmen Flug!“ Wir so: „Wahnsinn. Das kann nur ein gutes Wochenende werden.“

Der Highclass-Trip nach Bayern, in diesen etwas anderen Teil Deutschlands, verläuft ohne Probleme. Ein paar nützliche Tipps für jeden, der selbst einmal per Lufttaxi auf große Auswärtskaperfahrt gehen möchte: 1. Seid nett zu den Air Berlin-Stewardessen – dann gibt’s auch mal ‘nen Prosecco aufs Haus, wenn das Bier an Bord alle ist. 2. Reihe 24 ist immer für Notfälle, also streng genommen auch für St. Paulianer, frei gehalten. Checkt einfach als letzte ein und dackelt bequem bis ganz hinten durch. Egal, was die Euch vorher für komische Sitznummern zugewiesen haben.

In München angekommen, wird kostengünstig bei befreundeten Stadionbegleitern, ebenfalls sympathische Nordlichter, in der Nähe des Marienplatzes genächtigt. Die Nacht vor dem großen Kick wird sich freudetrunken um die Ohren gehauen. Es wird spät, laut und dreckig. Die Erinnerungen daran: Auf dem Rückflug verloren gegangen…

Samstagmittag, 3. November, plötzlicher Sommereinbruch. Huchgott! Was ist denn hier los?! Temperaturen von 18 Grad und feinster Sonnenschein machen aus uns verhärmten, wettergegerbten Zottelgestalten auf einen Schlag Kinder des Lichts. Totenkopfpulli an, Sonnenbrille auf und ab in die Arroganz-Arena. Immer wieder schön: der jakobswegesque Fußmarsch von der S-Bahn-Halte Fröttmaning zum Stadion. So muss sich Heinrich IV. auf seinem Weg nach Canossa weiland ebenfalls gefühlt haben. Mit dem feinen Unterschied: Wir sind on fire und wild entschlossen, den strubbeligen Stubentigern das Fell abzuziehen! Im Stadion wird fix die Löwenkarte (Suuupi Sache! Echt ma.) vollgemacht, Bier mit Strom gekauft und sich unters restliche Heimatvolk gemischt. Die Plastikschüssel ist mit fast 32.000 Besuchern recht gut gefüllt, die Stimmung dennoch mäßig. Einfach zu weitläufig. Nur im Tribünen-Bauch geht’s später nach dem Abpfiff gesangstechnisch mal wieder richtig ab – mit schönem Dank an den Entdecker des Nachhall-Effektes!

Das Spiel an sich sei an dieser Stelle zu Recht lediglich stiefmütterlich tangiert: Es ist einfach kein sonderlich gutes. Unsere Jungs sind den Tick aggressiver und bissiger, den es braucht, um auch auswärts mal drei Punkte (gegen erschreckend schwache Löwen) zu holen. Nicht mehr und nicht weniger. Ein paar Bonmots zum Geschehen auf dem Rasen möchte ich dennoch niemandem vorenthalten: 1. Gábor Király (91), der glatzköpfige Methusalix im 60er-Kasten, spielt seit gefühlten 30 Jahren noch immer. Und das immer noch verdammt gut! Als bester Mann auf dem Platz, trägt der modebewusste Trendsetter auch heute noch dieselbe graue Schlabberhose, der er bereits anno dazumal mit Hertha in der Champions League zu Weltruhm verhalf. Das waren noch Zeiten. Was macht eigentlich Dick van Burik heute? 2. Moritz Volz in Weiß und Himmelblau zu sehen, tut verdammt weh. 3. Die Stadionbrezeln sind überteuert und liegen noch seit dem St. Pauli-Auftritt an den Ständen, als uns ein gewisser Franck Ribéry mit seinen Dribblings die Beine brach. Aber Schwamm drüber. Als Hamburger ist man wahrhaft Schlimmeres gewohnt.

Der Rest des Wochenendes ist eine einzige Feierei, dessen Ereignisse in diesem ruhmreichen Blog allzu unangebracht wären. Nur so viel: In München steht ein Hofbräuhaus. Und es gibt einen Sperrbezirk. Mit Skandalen.

Sonntagabend, 4. November, Nieselregen um 22 Uhr in Poppenbüttel. Der Sommer ist vorbei. Voraussichtlich bis zum nächsten Jahr, München. No Weißbier, just Football.

Herzlichst
Schmitti

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