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Wir fahren mit der Luftbahn durch den Tag

oder

Wenn diese Treppen nicht wären / Heldenlauf 2012

Vorwort

Liebe Leser, wenn man so googelt, wie man sich auf einen Lauf vorbereiten soll, dann findet man garantiert irgendwo den Rat, dass man doch zu einem Konzert am Vorabend gehen , viel stehen und ganz viel Bier trinken sollte. Und wenig Schlafen sollte man auch. Okay, außer mit dem Bier trinken haben wir das ganz gut hinbekommen. Haben wir doch vor dem Heldenlauf einen kleinen Ausflug zum Großmarkt gemacht. Nun sind wir nicht so die guten Musikblogger, trotzdem fangen wir damit einfach mal an.

Kein Gott, kein Staat, lieber was zu laufen

Liebe Leser, das Portland Open Air wurde zum Ersten mal veranstaltet und zwar auf der Fläche des Großmarktes. Nur die Älteren unter uns werden sich an das letzte Musikfestival auf dieser Fläche erinnern, als irgendwann in den 90ern Bands wie Faith No More dort spielten. Das Portland mit eher elektronischen Bands, war da einige Nummern kleiner angelegt und vielleicht 3000 bis 5000 Zuschauer (Abendblatt behauptet 5.000) wollten Deichkind plus einige Vorbands sehen. Vorbands? Ja, die haben wir bis auf die letzte komplett ignoriert und uns mit der Umgebung vertraut gemacht. Eigentlich ist das Gelände aufgrund von fehlenden Anwohnern perfekt für ein Festival geeignet. Warum der Veranstalter aber bei einem Headliner, der ja doch für eine Bierstimmung sorgen kann meinte, dass er mit drei Bierständen auskommen würde verstehen wir so gar nicht. Immerhin führte es dazu, dass ihm viele Einnahmen flöten gingen, da die Leute kein Bock hatten sich für ein Bier ne halbe Stunde anzustellen. Und das eigentlich bei einem Preis von 2,50€ pro Bier, was ja eigentlich ganz okay ist.

Etwas anders als die meisten Leute sehen wir da aber die Klosituation. Ja, vor dem Damenklo war eine permanente Schlange, aber das ging trotzdem – außer direkt nach den Bands – immer ganz gut voran. Ob das ganze auch bei einer entsprechenden Bierversorgung gereicht hätte, sei mal dahin gestellt. Aber da ist man von Rock im Park oder Wacken schlimmeres gewöhnt. Insbesondere, da man hier auch noch für Wasserklos gesorgt hatte und nicht nur Dixies vorhanden waren.

Kommen wir zu den Bands, die wir wahrgenommen haben. Genau zwei. 🙂 Peaches ist nicht wirklich eine Band, sondern eine Dame, die von Tänzern unterstützt wird und die „Elektroclash“ (Wikipedia) macht. Man könnte es auch elektronischen Lärm mit Gesangs- und Shot-Einlagen nennen. Ging aber gut ab. Dazu ein Kostüm, welches zum größten Teil aus Brüsten bestand und Tänzer (auch das Vagina-Kostüm kann man mal machen), die kleine Szenen spielten. Sehr unterhaltsam, sehr freakig.

Sowohl Peaches, als auch Deichkind ließen es sich nicht nehmen, dass Thema Pussy Riot anzusprechen und die Freilassung zu fordern. Was man da mal wieder sehen kann, ist die Macht der Symbole. Natürlich hat es Menschenrechtsverletzungen in Russland schon vor und nach Pussy Riot gegeben, aber Menschen lieben Bilder, lieben die Personifizierung und Russland wird wahrscheinlich in nächster Zeit sehr viele musikalische Gäste haben, welche dieses Thema ansprechen werden und so auch einen Fokus auf die Menschenrechtslage in Russland lenken werden. Diktatoren neigen dazu, die Kraft dieser Symbole zu unterschätzen.

Es macht ja schon etwas aus, wenn man als Band in Verkleidung auf die Bühne geht. So kann man vollkommen unbeachtet als Künstler in Alltagsklamotten durch das Publikum schlendern. Und dann war es soweit. Typen in Müllsäcken entern die Bühne und das ganze hat weniger etwas mit einem Konzert zu tun, als mit einer abgedrehten Performance mit ziemlich geiler musikalischer Untermalung. So wurde das volle Programm gespielt, alle wesentlichen Hits waren dabei. Von der Ballade (s. Überschrift) über „Bück dich hoch“ bis zum obligatorischen „Remmi Demmi“. Auch einen Ausflug in alte Hip-Hop Zeiten hat es gegeben. Was dabei bemerkenswert ist. Zeit für Pausen, Ansagen oder Spielereien mit dem Publikum wurde sich nicht genommen. Die ersten 45 Minuten knallhart durchgezogen, kurze Pause und weiter gings. Wir haben wahrscheinlich genauso viele Lieder sehen können, wie die Gäste der alternativen Großveranstaltung an diesem Abend, aber in der Hälfte der Zeit, oder so.

Wir hatten also gut was zu tanzen und dies für die ganzen 105 Minuten, die das Konzert letztendlich dauerte. Nach dem Konzert erstmal festgestellt, dass man ganz schön dicke Füsse und ganz schön feste Oberschenkel hat. Perfekte Halbmarathonvorbereitung also.

Zum Glück klappte ÖPNV technisch alles perfekt und so war man noch rechtzeitig im Bett, nur um kurze Zeit später wieder wach zu sein und mit einem Ohrwurm aufzuwecken. Wir fahren mit der Luftbahn…

Der Heldenlauf bietet 6km, 11km und einen Halbmarathon an und ist definitiv einer der schönsten Läufe in Hamburg. Aber auch einer der anspruchsvollsten. Die Strecke ist doch ziemlich wellig und insbesondere auf der Halbmarathonstrecke mit einigen Höchstschwierigkeiten gepflastert. Wir haben uns dann einmal für die 11km entschieden, einmal für den Halbmarathon.

Da der 11er zuerst ab ging, darf der auch anfangen zu schreiben:

Mein erster offizieller Volkslauf und erst mein dritter Lauf über 10km überhaupt. Feste Oberschenkel vom Tanzen und weiche Knie vor Aufregung, die besten Vorraussetzungen also. Mit einer kleinen Aufwärmübung ging es dann auch schon in die Startzone und die letzten acht Minuten wartete ich in einem Wespennest aufgeregter Läufer. Als der Bürgermeister höchstpersönlich (der nebenbei insgesamt vielleicht fünf Sätze sagte bei der ganzen Veranstaltung) das Startsignal (hier noch ein Schuss, das war beim HM dann anders) gab, lief ich los. Mein Plan: locker mein Tempo bis Kilometer sieben (wo meine Streckenposten warten sollten) laufen und wenn bis dahin alles gut geht, Gas geben.

Relativ schnell kristallisierte sich heraus, dass ein U20 m und ein Ü50 m ziemlich genau mein Tempo liefen, und auch wenn wir einander anschwiegen, so schleppten wir uns bis Kilometer sieben gemeinsam („Nur noch vier, nur noch vier“).

Die Strecke ist super schön und vor den Anstiegen wurde ich gar nicht gewarnt, sodass ich einfach ins kalte Wasser gesprungen bin. Kilometer sieben dann meinen Streckenposten allen einen Kuss aufgedrückt, festgestellt, dass heute alles geht, und Tempo richtig angezogen. Als ich am Witthüs lang kam, erfreute doch eine Truppe Küchenpersonal mein Herz, die mit allerlei Küchenklapperei die Läufer anfeuerten. Und auch das Ehepaar, das Früchtetee für die Läufer ausschenkte (stillecht Blankenese-Style vom Personal (?!?) nach vorne gebracht) und der Polizist, der fleißig Wasser verteilte, gaben mir Schwung durchzuhalten.

Bei Kilometer neun habe ich dann die Mitläufer angebrüllt „Los jetzt, die letzten zwei Kilometer auf Blut, nun is doch eh alles Wurscht“ und habe das Tempo erneut angezogen. Dass auf dem letzten Kilometer dann aber doch noch ein Hügelchen auf mich wartete, kam unvorbereitet, aber auch diese „challenge accepted“, durchgebissen und in einem ordentlichen Schlusssprint ins Ziel gerannt. Danach einen kräftigen Adrenalinausstoß gehabt und zwei Stunden vor Stolz fast geplatzt. Man muss schon sagen, dass sich die Blankeneser echt viel Mühe geben. Ich habe dann im Ziel eine tolle Versorgung vorgefunden (Croissants, Äpfel, Bananen, unterschiedlichste Biere alkoholfrei, Massagen, usw.; einziger Minuspunkt: Die Duschen waren eiskalt, sodass ich schon Kopfschmerzen bekam aber immernoch Schaum im Haar hatte.) und konnte gleich meine Zeit auf der Tafel nach lesen. Wow, verdammte Scheiße, 15(!!) Minuten schneller als ich erwartete. 1:05:02, Puddingbeine und Fertigpizza waren dann die Belohnung.

So liefen sie also davon und wir Halbmarathonis warteten zwischenzeitlich noch auf unseren Start. Immerhin perfekte Bedingungen, wenn man mal von dem typischen Hamburger Wind absieht. Zitat eines Mitläufers: „Ich habe das Gefühl, der kommt immer von vorne.“

1.700 Halbe liefen mit, so dass der Start doch etwas kuschelig war. Das Startsignal nun kein Schuss mehr, sondern das Horn der Cap San Diego. Ehrlich: Muss diese Show nicht haben, auch wenn die CSD natürlich ein sehr hübsches Schiff ist. Gut fünf Minuten dauerte es, bis man die Startlinie überquert hatte und los ging die wilde Hatz. Ich lief die ersten Kilometer mit der Frau ohne Kassettenrekorder (die hier ihr Rennen schildert) und dem besten Ehemann der Welt (TM), die wurden mir dann aber beide ehrlich gesagt zu schnell und deswegen habe ich sie laufen lassen.

Eigentlich begannen Kilometer 1 und 2 gut, die Uhr zeigte Zeiten zwischen 6:15 und 6:20 an. Also eine gute Pace zu Beginn eines Halbmarathons. Fakt ist, dass die beiden ersten Kilometer aber brettflach sind, so dass man sich für die späteren Aufgaben doch Körner übrig lassen sollte.

Kurz nach Kilometer 3 beginnen die wellligen Stellen des Marathons und ich bekam Fußprobleme. Mein Fuß wollte (wahrscheinlich aufgrund des Stehens am Abend vorher) so gar nicht und verkrampfte komplett. 7:29 und 7:32 auf den beiden nächsten Kilometern waren die Folge. Eine Pause zum Dehnen und lockern inklusive. Danach ging es wieder und der Lauf konnte zum Glück fortgesetzt werden.

Eine klitzekleine Kritik muss man am Heldenlauf aber haben. Der Lauf an sich ist nur ganz knapp ein Halbmarathon (meine Uhr zeigte am Ende 20,87 gelaufene Kilometer an) und die aufgestellten Kilometerschilder sind doch sehr ungenau. Teilweise bis zu 700 Meter Abweichungen zu den real gelaufenen Kilometern. 6:44, 6:25, 6:45 und so weiter. Bis Kilometer 10 blieb ich regelmäßig unter den 7 Minuten, die ich mir vorgenommen hatte. Kilometer 10 war dann langsamer wegen einer ausgiebigen und ruhigen Verpflegung, aber ich fühlte mich gut und alles lief.

Das Feld, wie immer etwas ausgedünnt in meinem Zeitbereich. Insgesamt ist in den letzten Jahren zu beobachten, dass die Leistungsdichte im Halbmarathonbereich immer besser wird. 6:37 und 6:18 folgten auf den Kilometern, dann wieder eine 7:11. Es wurde immer welliger.

Wenn man so meine Geschwindigkeit verfolgte, dann war ich immer noch in der Lage flach eine Pace von gut 6:15 zu laufen, was für mich echt super ist. Nur bergauf hatte ich doch Probleme ein Tempo zu halten.

Tja und lief alles hier noch auf eine Zeit irgendwo zwischen 2:20 und 2:25 raus, kamen dann die berühmten Treppen und die zerrissen mich dann doch sehr fröhlich. Man muss den Falkentaler Weg direkt neben dem Waseberg hoch und das Treppensteigen ging dann doch derbst in die Beine. Ein gepflegter zehn Minuten Kilometer war die Folge. Landschaftlich ist das dort besonders toll, läuft man doch durch den wunderschönen Polterberg. Aber der Läufer neben mir ahnte es schon: Man muss eben noch einmal runter an die Elbe. 6:30 folgen, aber dann zweimal Kilometer, die von den Steigungen und Treppen beeinflusst waren und nicht unter acht Minuten lagen.

Hier habe ich nun alle Zeit Ideen fliegen lassen und bin einfach nur gelaufen, wie ich gerade konnte. Immer wenn es mal flacher wurde, dann gingen auch wieder Kilometer, die unter 7:00 waren, aber der letzte Anstieg in einem Park zerriss mich noch mal vollkommen und zwang zu einer großen Gehpause.

Neben der wirklich guten Organisation des Laufes ist auch das Publikum echt Klasse in Blankenese. Überall standen Leute und zwischen Kilometer 18 und 19 betrieben Leute echt auf eigene Rechnung noch einen Wasserstand. Das ist so toll und ich hoffe, dass die Leute wissen, wie sehr sie den Läufern auch moralisch helfen.

Nun ja, knapp vor dem Ziel war dann endlich die Luft raus und so schleppte ich mich ins Ziel, wo ich nach 2:32:22 ankam. Seien wir deutlich: Ich war auf dieser Strecke auch schon einmal gepflegte 16 Minuten schneller und zwar vor zwei Jahren. Das spricht nicht gerade für eine tolle Form. Keine Ahnung, warum das vor zwei Jahren so flutschte und diesmal nicht. Gefühlt habe ich mich eigentlich nicht schlecht.

Mal sehen, was dies für Berlin bedeutet. Insgesamt ist es ja immer nur ein Trainingslauf für mich, so dass ich nicht weiß ob und wie ich 2010 in dieses Rennen gegangen bin.

Kleine negative Anmerkung noch zum Schluss: Alkoholfreies Bier gab es für langsame Läufer leider nicht mehr. Immerhin aber noch alle möglichen Getränke.

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