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Gruppendynamik mit hässlicher Fratze

oder

Gastbeitrag aus Cottbus

Seit Donnerstag bin ich nun also offizielle Gastbloggerin. Ich habe vor lauter Aufregung kaum geschlafen. OK, das ist vielleicht ein wenig übertrieben. Gut gefunden hätte ich es allerdings, da am Freitag gegen 20:15 Uhr das Rollo runter und das Licht ausging. Und das, obwohl draußen das allwochenendliche Treiben im Viertel noch gar nicht an Fahrt aufgenommen hatte.

Um 1:30 Uhr ging dann schon wieder der Wecker. Fix fertiggemacht, noch im Halbschlaf dem bereitgelegten Kram (jaja, man wird spießig mit der Zeit) seine finale Zusammenstellung verpasst und an der U-Bahn gleich den Großteil der Bande mitsamt erfreulich vieler Gäste von Hapoel getroffen, der sich die Zeit bis zur Abfahrt offensichtlich in unserer Kneipe vertrieben hatte.

Wohl ob der nachtschlafenen Zeit verliefen die Fahrt nach Lübeck und der einstündige Aufenthalt dort recht ruhig. (Immerhin hatten die örtlichen Hüter von Recht und Ordnung den Inhaber des Grills am ZOB vorgewarnt.) Auch in der Bummelbahn nach Bad Kleinen, wo wir in den Zug nach Cottbus stiegen, ging es – von dem Bundeswehrmenschen, der nicht müde wurde, die gut gelaunte Meute mit abschätzigen Blicken zu taxieren – äußerst familiär und kuschelig zu.

Langsam ließ sich so etwas wie Tageslicht erahnen, wobei es allerdings so diesig war, dass man nicht viel weiter als 50m gucken konnte. Böse Zungen mögen nun provozierend behaupten, dass es in MeckPomm und Brandenburg auf allen folgenden Metern Richtung Horizont auch nicht anders aussieht als auf diesen sichtbaren, aber dazu möchte ich hier keine Stellung beziehen.

Ab Berlin (alles sprach von Spandau, ich hatte mir allerdings Hauptbahnhof als Notiz gespeichert…nun denn) bekam unser Grüppchen schließlich Zuwachs in Form einer ganzen Batterie Robocops. Die eigentlich entspannte Stimmung schlug innerhalb weniger Minuten um. Nun ist es ja nicht ganz von der Hand zu weisen, dass durch das Erscheinen uniformierter Beamter der Innenbehörde reflexartig gewisse Verhaltensmuster an den Tag gelegt werden. Übersetzt hieß das in diesem Fall, dass umgehend A.C.A.B. aus den Boxen schepperte und man sich angeregt unter Zuhilfenahme diversester Synonyme über die Zugestiegenen unterhielt. Die Polizei hatte den medial gern kommunizierten Deeskalationsauftrag allerdings gründlichst missverstanden und fing ihrerseits an, Menschen verhältnismäßig wahllos („Wenn sich einer meiner Beamten beleidigt fühlt, dann…“) erkennungsdienstlich zu behandeln. An dieser Stelle noch einmal in Schriftform der schon persönlich ausgesprochene Dank an den jungen Mann, der sich zum einen (erfolgreich) dafür eingesetzt hat, dass einer der der Beamtenbeleidigung Verdächtigten nicht mit sechs, sondern lediglich mit zwei Beamten zur Personalienfeststellung musste und diesen dann auch noch begleitet hat.

Das gefährlich dünne Eis der Justiz verlasse ich allerdings lieber schnell wieder und überlasse ich dann wieder den Blogmachern.

Sehr schön, wenngleich auch ziemlich traurig, dieses als seltene Ausnahme erwähnen zu müssen, war der Fanmarsch vom Hauptbahnhof zum Stadion bei zwischenzeitlich feinstem Wetter. Begleitet von unbehelmten Polizisten, wenn das an dieser Stelle so einigen anderen Ordnungshütern mal ganz wertfrei mit auf den Weg gegeben werden dürfte.

Bei der Einlasskontrolle geriet ich dafür an eine Bärin von Ordner, die mir nicht nur die zuvor bereits verteilten Luftballons abnahm, sondern sogar meine Geldscheine durchzählte! Als ich schon befürchtete, sie würde mich nur mit einem begrenzten Taschengeld ins Stadion lassen, ließ sie mich dann doch noch passieren. Ihre Kolleginnen und Kollegen schienen das mit den Ballons auch nicht ganz so eng gesehen zu haben; für die Choreo waren jedenfalls genug mit reingekommen.

Im Stadion gab es dann ein überschaubares Cateringangebot und erwartungsgemäß kein Bier. (Wobei ich das bei zwei(!) Frauentoiletten schon gern beobachtet hätte.) Die Zeit bis zum Spiel vertrieb man sich also stattdessen mit der üblichen von Blocktauscherei, der Begrüßung einiger zwischenzeitlich eingetroffenen Babelsberger und einem lächerlichen Kräftmessen mit den Rotleibchen wegen einer der Zaunfahnen, bei der man leider den Kürzeren zog. (Ob es die „diffidati con noi“ war, die letztlich zurückgenommen werden musste, war schwer zu erkennen.)

Nun denn, ich habe es lange hinausgezögert, aber kommen wir zum unangenehmen Teil des Tages: dem Spiel.

Vor dem Anpfiff gab es ein paar abgelesene Lippenbekenntnisse gegen Rassismus und dann ging es auch schon los. Leider Richtung Tor von Tschauner. In den ersten 20 Minuten spielte sich wenig in der Cottbusser Hälfte ab, St. Pauli eigentlich nur mit einer Halbchance von Saglik. Das Dramatische war eigentlich, dass Cottbus mit ganz durchschnittlichen Mitteln zu Chancen kam. Die Räume mussten sie sich nicht einmal erarbeiten, sie wurden nahezu angeboten. Exemplarisch ist hierfür wohl das 1:0, dem ein ziemlicher Bock von Tschauner vorausging. St. Pauli agierte allerdings auch im Anschluss an diesen Wachmacher ideenlos, langsam und ohne Zug zum Tor. Das Eckenverhältnis von 4:0 gibt vielleicht ein wenig die Gewichtung wieder. Halbzeitpause. Die zweite Hälfte fing besser an (schlechter ging leider auch kaum), war aber immer noch meilenweit von gut entfernt. Zu dem fehlenden Willen schien auch ein stückweit Unvermögen zu kommen, Saglik mit einem langen Pass ins Nirvana links außen, der eingewechselte Ebbers irrte weiterhin durch Strafraum und Abseits und verpasste erneut im entscheidenden Moment den Torschuss, passte dafür quer und entschärfte die Situation, die schließlich komplett verpuffte. An der Strafraumgrenze verlud Banovic dann schließlich mit Boll und Kringe gleich zwei erfahrene Spieler mit einem E-Jugend-Trick und netzte zum verdienten 2:0 ein. Bartels rutschte kurz vor Schluss noch einmal nach einem Sprint zu einem längst verlorenen Ball mit Gewalt in die Bande, aber auch das war nicht mehr als Aufbäumen zu werten. You’ll never walk alone singen, Abfiff, müdes gegenseitiges Beklatschen, ab zum Bahnhof.

Einschub:

Bei Energie ist der Name übrigens Programm. Trotz eines nur mit wenigen Wolken durchsetzten und sonst strahlend blauem Himmel befand man, dass eine komplette Beflutlichtung während des gesamten Spiels auf jeden Fall erforderlich sei. Im Sinne der Nachhaltigkeit schlichtweg untragbar. Hierfür: setzen, sechs.

Nach dem Spiel zeigte die Gruppendynamik dann wieder ihre hässliche Fratze: wie die Heuschrecken in den Supermarkt, Mundraub, Arroganz und Gepöbel. Distanzierungswürdig. Wobei an dieser Stelle der Fairness halber gesagt werden muss, dass sich der allergrößte Teil der Gruppe absolut zivilisiert verhalten hat. Die Wildfänge stachen trotzdem hervor.

Die Rückfahrt war unspektakulär, dank lieblichen Rotweins (zum Glück nicht eigens konsumiertem) und an dem Fußballgeschehen unbeteiligter Fahrgäste (Siggi, zumindest hatten Deine Freundinnen Spaß) allerdings dann noch sehr amüsant. Die eingefahrene Verspätung von gut einer halben Stunde, die uns theoretisch unseren Anschluss in Schwerin gekostet hätte, wurde kurzerhand durch ein Umsteigen inmitten des Nichts wettgemacht, so dass wir pünktlich gegen 21:45 Uhr wieder den heimatlichen Hafen erreichten. Der unermüdliche Teil ist dann noch rüber zum Schanzenfest (zumindest traf man dort noch einige gerade erst verabschiedete Gesichter wieder), aber da der Bericht eh schon länger ist als er ursprünglich mal geplant war und auf dem Fest darüber hinaus auch (während meiner Anwesenheit) nichts Nennenswertes mehr passiert ist, soll es das an dieser Stelle auch gewesen sein.

Ich gebe zurück an die Blogger meines Vertrauens!

11 Kommentare

  1. Jan Jan

    Wenn das Ausnehmen eines Supermarkts so wichtig ist, dass es die Überschrift bestimmt, bin ich nicht der Meinung, dass der Schwerpunkt dieses Blogs von der Gastbloggerin richtig aufgenommen wurde.
    In einem eigenen Thema ja, ok, nachvollziehbar, aber in einem Spieltagsbericht dieses Thema die Überschrift bestimmen lassen? Nicht mein Ding.

    Grüße, Jan

  2. Jan, sorry, da müssen wir dir als Betreiber mal widersprechen. Punkt 1. der Artikel kam bei uns ohne Überschrift an, wir haben dann eine draus gemacht Punkt 2. die Überschriften bei uns sind traditionell eher kleine Sprengsel, kleine Formulierungen, die weder unbedingt eine Wichtigkeit oder einen Ton des Berichtes zwingend bestimmen und 3. finden wir sehrwohl, dass dies ein Schwerpunkt ist, die Kritik am eigenen Fanverhalten und glaub uns, wenn wir so etwas mitbekommen hätten, dann hätten da aber noch ganz andere deutlichere Worte gestanden.

  3. […] MagischerFC-Blog hat jetzt eine Gastschreiberin, die ihr Debüt mit einem Auswärtsbericht feiert: „Gruppendynamik mit hässlicher Fratze“. Und damit es keine Kloppe gibt: Ich sehe manche Sachen […]

  4. Tom Tom

    Moin!
    Lese Euren Blog seit einiger Zeit sehr gerne – und muss Jan jetzt auch wiedersprechen.
    Wenn FCler weiterhin einfordern wollen, vernünftig und maßvoll von der Staatsgewalt behandelt zu werden bzw. dieses ewige -und im aktuellen Beitrag schön beschriebene- Kräftemessen (was auch sofort wieder Thema in den öffentlichen Medien war – siehe „Aktuelles Sportstudio“) endlich einmal zu beenden …, dann muss „das Ausnehmen eines Supermarktes“ durch eigene Leute deutlich benannt und hinterfragt werden, braucht es dafür nicht nur kritische Distanz sondern eindeutige Abgrenzung, statt Verharmlosung in Form von „Ausnehmen eine Supermarktes …“
    Solange es immer wieder -seien es auch noch so kleine- Anlässe gibt, wird es schwierig bleiben und schwerer werden, das Anderssein weiter zu behaupten.
    Gehöre nun nicht zum eingeschworenen Kreis, aber seit >20 Jahren auch dazu, erinnere mich auch an legendäre Auswärtsfahrten – ich muss das Verhalten der Unsrigen auch meinem Sprößling erklären, der seit Jahren gerne mitkommt – und da wird es dann wichtig Abgrenzung zu vermitteln – die Guten sein zu wollen …

  5. Gerd Gerd

    Erstmal zu penny!

  6. Huk Huk

    Wenn ordner transparente oder zaunfahnen aufgrund politischer oder sonstwelcher inhalte, einkassieren wollen, dann finde ich es durchaus ok, wenn sich leute dagegen zur wehr setzen!

  7. Behauptet irgendwer das Gegenteil? nein! (das „lächerlich“ im Bericht bezieht sich schlichtweg auf die Ordner, falls das Mißverständlich ist)

  8. […] leider verhindert, daher mussten/durften/konnten wir wieder auf unsere bereits letztes Jahr in Cottbus getestete Gastbloggerin zurück greifen. Dankeschön für den […]

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