Zum Inhalt springen

Wenn es einfach zuviel wird…

oder

Fabio Morena, Kapitän der Freibeutercrew

Der Capitano führt seine Mannen aufs Feld

Vorwort

Liebe Leser, eigentlich soll hier Sommerpause sein und grundsätzlich werden hier weder Neuverpflichtungen noch Abgänge wirklich kommentiert. Ausnahmen gab es in letzter Zeit viel zu viele, weil die Heldengeneration dieses Vereines unter mehr oder minder traurigen Umständen den Verein verlässt. Und nun geht einer der letzten Vertreter dieser Generation. Nein, viel mehr, es geht ihr Kapitän.

Fabio als Gegner? Undenkbar!

Es geht Fabio Morena. Neun Jahre in braun-weiß, davon acht Jahre als Kapitän. In drei verschiedenen Ligen und im Pokalhalbfinale führte Fabio seine Mannen mit der Binde um den Arm auf den Platz. Der abergläubische Teil von uns sah ihn am liebsten mit der ausgewaschenen „Capitano“ Binde um Arm. Als diese durch ein Vermarktungsprodukt mit Totenkopf ersetzt wurde, ging es nicht nur mit seiner Karriere, nein auch mit dem FC bergab.

Aber fangen wir vorne an. 2003 erscheint ein junger Mann, mit dunklem wolligem Haar auf der Bildfläche. Als letzter Verein war der CF Alicante angegeben und der junge Mann wurde in den Statistiken als Spanier ausgewiesen. Das rassistische Vorurteil sprach ihm sofort die deutschen Sprachkenntnisse ab und dieses Vorurteil meinte man noch durch seine ruhige Art auf dem Platz bestätigt zu bekommen. Umso erstaunter war man, dass noch Andreas Bergmann ihn zum Kapitän machte. Sportlich fiel Fabio schon damals durch ein absolut überragendes Stellungsspiel auf. Er war nie der Schnellste, nie der Wendigste, nie der Zweikampfstärkste, aber er war immer zuerst da, wo man sein musste. So wurde aus ihm der feste Bestandteil einer eingeschworenen Abwehrreihe, die unzählige Schlachten schlug.

Das rassistische Vorurteil fraß man dann ein Jahr später, als er bei einer Abschlussfeier vor dem Knust (das letzte Spiel gegen den KFC Uerdingen war gerade 2-2 geendet und zwei jetzt namentlich nicht genannte Spieler zeigten auf dem Zaun, wie man Pyro abbrennt) sich das Mikrofon griff und einem in bestem schwäbisch erläuterte, dass man nächste Saison unbedingt aufsteigen wolle.

Und genau diese Zielstrebigkeit, diese Disziplin, dieser Anspruch an die Truppe und auch an sich selbst, dies zeichnet Fabio aus. Habt ihr zu den Zeiten von Stanislawski mal ein Training beobachtet? Eigentlich bei jeder Übung wurde Fabio als Vormacher benutzt und bei keiner Übung schummelte er auch nur ein klitzekleines Stück. In jedem Training, was wir besuchten, war er der Erste, der Strebsamste und der Konzentrierteste. Und das trotz solcher Leute wie Timo Schulz und Fabian Boll, die nun auch sehr gewissenhaft trainieren.

Und das galt auch für das Schmerzlake Trainingslager und für brutale Trainingslager in Österreich. „Führen durch Vorbild“ war für ihn keine leere Phrase, sondern gelebte Realität. Nur so konnte Stanislawski seine brutalen Fitnessprogramme durchziehen und den Erfolg davon später ernten. Daher brauchte Fabio als Führungsspieler auch nicht viele Worte, deswegen war er nie ein Kahn, ein Effenberg oder ein Sammer, die laut waren. Er hatte es nicht nötig. Er führte eben durch Taten.

So gelang Fabio auch problemlos die Anpassung an Liga 2, auch wenn er ab und zumal seine fehlende Grundschnelligkeit bereute und so u.a. mal die schnellste Rote Karte in Bundesliga 1 und 2 kassierte. Aber das waren Ausnahmen und eigentlich war auf Fabio und sein Stellungsspiel immer Verlass.

In seiner besten Saison führte er unsere Jungs in die erste Liga. Und daran hatte er wahrscheinlich auch deswegen einen großen Anteil, weil er als Teil des Mannschaftsrates eine eher freche Prämienregelung vereinbarte (so munkelt man bis heute): Keine Punktprämie, dafür aber eine fette Aufstiegsprämie. Die Jungs werden gut kassiert haben und vielleicht auf der Zielgeraden auch daraus ihren letzten Kick bekommen haben.

Auch nach dem Aufstieg 2010 wurde verkündet, dass die in das Haus einziehen sollten, die es erbaut haben. Und wie schon 2001 wurde dieses Versprechen nicht eingehalten. Fabio blieb zwar Kapitän, wurde aber durch ein 20 jähriges Talent sang- und klanglos ersetzt. Rückblickend wohl einer der größten Fehler von Stanislawski. Denn einhergehend mit dem Gewinn an individueller Klasse, ging ein großer Teil des Zusammenhaltes, des bedingungslosen Aufopferns verloren. Man kann den Spruch von der „besten Elf“, die gegen die „besten Elf“ gewinnt immer wieder dreschen, er bleibt wahr. Warum vermisst man sonst wohl beim FC Bayern so einen eher beschränkten Spieler wie Jens Jeremies. Weil dieser bedingungslos gewinnen wollte. Immer. Vom Typ zwar vollkommen anders ist Fabio genau so ein Spieler. Und genau das fehlte uns in den letzten beiden Saisons in denen Fabio nur noch auf der Bank saß. Und dies bekommt man nicht durch 20 Jährige Leihspieler. So ist der Fußball nunmal. Leider.

Nun geht jede große Karriere zu Ende und irgendwann muss man auch einsehen, dass es nicht mehr langt. Ob und inwieweit das bei Fabio der Fall ist, wissen wir nicht. Seine Abschiedsworte klingen so, als ob zumindest ein anderer Zweitligist der Meinung ist, dass es noch sehr gut für Liga 2 reicht. Und so wird es nächste Saison zu Momenten kommen, in denen wir sehr schlucken müssen. Fabio und auch Ralle werden in anderen Farben aber nicht mehr in unseren Farben auf den Rasen des Millerntores. Eine Vorstellung, die so irreal ist, dass wir sie uns gar nicht vorstellen möchten. Vielleicht verhindern ja zwei klitzekleine Muskelzerrungen, die jeweils nur drei Tage Verletzungspause erzeugen diese Schmach für zwei unserer größten Helden.

Und erneut muss man sich fragen, was denn nun anders ist, als vor zwei Wochen, wo man noch die Möglichkeit gehabt hätte Fabio richtig zu verabschieden. So, wie die Abschiedsworte klingen, hat man nicht wirklich über einen Vertrag verhandelt. So, wie die Worte klingen, geht es nicht darum, dass man sich nach langer Verhandlung einfach nicht einig geworden ist. So, wie die klingen, hat man nur gewartet bis Fabio einen neuen Verein gefunden hat. Das ist alles so traurig, denn dem Capitano einen richtig fetten Abschied zu geben, dies wäre die Pflicht von jedem Verantwortlichen im Verein gewesen und dies verpasst zu haben spricht für extreme menschliche Defizite in der Vereinsführung.

Man kann nur hoffen, dass sich das mit dem Abgang von Schulte sich ändert, wir befürchten aber beinah, dass dies keine Sache ist, die man alleine an der Person von Helmut Schulte festmachen kann.

Lieber Capitano, wir hoffen, dass du auf deine „alten“ Tage irgendwo anders glücklich wirst. Und, dass du nach deiner Karriere als Spieler bald wieder zu uns zurück kehrst. Wie wäre es, wenn du den Trainerschein machst, dir Schulle und Ralle als Co-Trainer anstellst und ihr dann die Fußballwelt rockt indem ihr den FC St. Pauli zum schon längst verdienten Champions League Titel führt. Verdient hättest du es.

3 Kommentare

  1. Zum Glück sind es ja nur noch eine halbe Hand voll wirklich prägender Spieler, die man ohne Dank vom Hof ziehen lassen kann.

  2. Bevor der Letzte das Licht ausmacht, sollten wir die Verantwortlichen in die Dunkelheit schicken. Da fällt einerseits ihre Blindheit nicht auf, und andererseits kann vielleicht noch rechtzeitig das Ruder herum gerissen, der Strudel umschifft werden.

  3. Nils Nils

    Moin,

    mir brennt es unter den Nägeln, und wenn ich etwas gerne kommentiere (selten am Lesen, selten ein tiefes Grummeln in der Magengegend), dann ist es dieser Nobi-Blog. 😉

    Inhaltlich dreht sich Dein Blog um Fabio und da bin ich ebenso tief traurig, weil meiner einer sich fragt, was dieser schnöde Fußball eigentlich noch mit Mesnchlichkeit zu tun hat. Marx schrieb einmal sinngemäß „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ und auch wenn der FC nicht die Speerspitze des menschenverachtenden kapitalistischen Scheiß-Fußball ist, ist er immer noch einer, der sich im Markt orientieren muss. Das ist bitter genug und einem fällt wieder der „Spagat“ und der „Schmale Grat“ ein, den Fußball-St. Paulianer zu gehen hat. Und da wir weiter mit ihm, dem FC gehen, bleiben wir kritisch.

    Leider Gottes kritisch oberflächlich, weil wir uns gar nicht mehr zu den Wurzeln vorwagen. Uns geht es ja gut und unsere unmittelbaren Bedürfnisse plus ein paar Extras (wie Reisen, etc.) sind erfüllt. Was interessieren uns eigentlich die Auswüchse marktwirtschaftlicher Dekadenz mit Riesengehälter von Topmanagern, Akkumulation von Kapital und Millardengewinnen von Konzernen, die hinter unserer ach so tollen parlamentarischen Demokratie die Strippen ziehen. Es ist nicht mehr nur ein Grollen in der Magengegend, den diese Scheiße stinkt bis zum Himmel.

    Ich schweife ab (und es tut mir leid, dass ich diesen Blog dafür missbrauche, selber zu bloggen, ich hoffe der Magische FC verzeiht mir) und wüte wieder einmal dort, wo es unkontrolliert ausbricht.

    Warum eigentlich haben einige Fans noch nicht den Mut gehabt, den beispielsweise AFC St. Pauli zu gründen, um wahres demokratisches Verständnis zu leben und sich DEM Fußball und gesellschaftlichen Verständnis zu nähern, das unserem Selbst die Entfremdung nimmt und es wieder zusammen bringt? Ein Engagement um den FC St. Pauli herum ist zwar lobenswert und sicherlich sind hier viele Dinge im Diskurs, aber vom „System DFB/DFL“, eingebettet in ein milliardenschweres Geschäft, kann und wird man sich nicht abheben können, so dass man immer wieder auf eine Zerreißprobe gestellt wird. Nur weil wir uns als Teil des Fußballs verstehen und das hin und wieder emotional ausleben, um überhaupt wahrgenommen zu werden, wird man die Damen und Herren Reaktionäre nicht zur einsicht bekommen. Es gilt immer noch die Slimesche Zeile „…und wenn wir mal aggressiv sind, seid ihr auf einmal konservativ…“

    Ich bin froh, wenn ich im Programm zum Antira-Turnier auf die Frage, was ihr machen würdet, wenn ihr den Präsident stellen könntet, immer noch auftaucht, dass man sich grundsätzlich vom Gebahren dieses geistlosen Fußballs verabschieden möchte, um wieder Mensch mit Gesicht zu sein (so bei Penya Sport oder Antifa Bergamo), der nicht durch Zahlen Beschreibung findet sondern durch Tugendhaftigkeit.

    Und da will ich nun anknüpfen an den kritischen Umgang mit Helmut Schulte, der scheinbar immer noch bei vielen Sodbrennen auslöst. Warum eigentlich? Kann mir das einer beantworten? Bevor wir in den kritischen Dialog treten, hauen wir lieber hinten rum auf Personen ein, bis die Demission endlich ins Rollen kommt und lassen außer acht, dass der direkte Weg durchaus auch Lernfähigkeit zur Folge haben könnte (so geschehen ja hoffentlich bei Schubert). Das Leben sollte Entwicklung sein (und das sollte man jedem einräumen, denn Einsichtsfähigkeit ist jedem anheim) , und wenn uns mal einer sagt, dass er das und das ziemlich Scheiße findet, macht man sich da keine Gedanken, um sich der Kritki ernsthaft zu stellen? Doch was macht man? Man jagt sie vom Hof (und lässt andere weiter schalten und walten). Na ja, vielleicht muss es auch erst richtig knallen, bevor sich was tun kann (wenn man dann überhaupt noch hoch kommt, zu sehr hat man den Karren schon in den Dreck geritten). „End of Pipe-Technology“ nennt man das im Umweltschutz, also nachgeschaltete Maßnahmen, die den Prozess selber nicht verändern. Dementsprechend stehen die „Cleaner-Productions“ dem gegenüber, die in den Prozess schon vorsorgend eingreifen. Tja, wer weiß, vielleicht kommen wir mal dahin, bevor wir uns weiterhin xy-zertifizieren lassen…

    Danke, Magischer FC, für das Plateau, welches ich nutzen durfte und liebe Grüße!

    Pelstinho

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Blue Captcha Image
Refresh

*