Vorwort
Liebe Leser, kennt ihr das sehr menschliche Phänomen, dass man Sachen verdrängt, bis sie nicht mehr verdrängt werden können? Nicht? Dann haben wir hier wieder einen Fall. Und wenn es alles dann doch fest steht, dann tut es umso mehr weh.
Machen sie ein typisches Foto
Carsten – genannt Calle – Rothenbach verlässt den FC St. Pauli. Was der FC in einer kleinen Facebook Meldung offiziell verkündet, ist ein weiterer Schritt in unserer unendlichen Tragöde der letzten 12 Monate. Unsere Heldengeneration tritt ab. Spieler, die nicht nur wegen Geld oder wegen der sportlichen Perspektive alleine bei uns gespielt haben, sondern Spieler, die sich mit dem FC identifiziert haben, die hier eine Heimat gefunden haben und die von uns allen wohl verehrt wurden und werden. Wir werden unseren Enkeln noch von Lelle, Eger, Ralle, Fabio und eben auch von Calle erzählen und ihren glorreichen Jahren am Millerntor.
Wir haben mit Calle nie ein Wort gewechselt, wir wissen nicht wie er tickt, wir wissen nur, wie er in der Öffentlichkeit als ruhiger, überlegter Spieler rüber kam, der nie große Töne spuckte und nie wirklich mit Ansprüchen in der Öffentlichkeit stand. Ein „wenn ich gesund bin, dann habe ich eigentlich immer gespielt“ war bei ihm schon eine mittlere Überraschung und Kampfansage. Und sie stimmte ja.
Und wenn er gespielt hat, dann wusste man hatte. Solide Außenverteidigung, mit sehr wenigen Fehlern und ganz wenigen Überraschungen. Seine Vorstöße – und das ist wohl seine große Schwäche – endeten meistens wie auf dem oben gezeigten Bild. Als Flankengott oder Vollstrecker von der Außenposition ist er uns nicht in Erinnerung geblieben.
Aber eben dieses Ruhige, dieses Abgeklärte und seine 2008 alle überraschende langfristige Vertragsverlängerung, seine Treue (bäh was für ein Wort, aber hier passt es), all dies hat den Calle zu einem Liebling gemacht. 2008 hatten wir alle das Gefühl „der wechselt nun in die Bundesliga“ und nein, er blieb, blieb Leistungsträger und war dies eigentlich immer, wenn ihn nicht gerade Verletzungen zurückwarfen. Selbst dieses Jahr in dieser verkorksten Rückrunde zeigte er sofort seine solide, nicht zu kritisierende Leistung, als er gebraucht wurde. Anlaufzeit? Abstimmungsprobleme? Eingespieltheit? Fremdwörter für Calle. Er ist da, wenn man ihn braucht. „Musterprofi“ findet man, wenn man Carsten Rothenbach googelt und ja, er ist das perfekte Synonym dafür. In einem Training immer einer, der vorweg war. Nie wirklich mit dem Mund, aber mit der Leistung, dem Arbeitswillen und der Konzentration.
Und nach 6 Jahren, 142 Einsätzen und 6 Toren (Stand jetzt) soll es nun zu Ende sein? Wir werden dich vermissen, Calle! Hoffen wir wenigstens noch auf 7 weitere Einsätze und verfickt noch mal 20 Tore. Irgendwie soll doch mal jemand vom Fußballgott belohnt werden und wenn es nur ist, dass er als Außenverteidiger seine Mannschaft zum Aufstieg schießt.
Das zynische der zur Zeit stattfindenden Entwicklung ist, dass wir heute wirklich überlegt haben, mit der Verabschiedung per Blogbeitrag zu warten bis entweder Ebbers oder Morena auch abgeschoben sind. Aber wir haben uns dann anders entschieden. Jeder dieser Spieler hat seinen eigenen Beitrag verdient. Denn ganz ehrlich: die verwendete Floskel „Calle Rothenbach verlässt am Ende der Saison den FC St. Pauli. Das gibt der 31-Jährige heute Mittag bekannt.“ lässt doch sehr viel Interpretationsraum. So ganz freiwillig um zu Bayern München zu wechseln? Eher nicht, oder? Zu gönnen wäre es ihm aber.
Wir sind keine Fußballfachleute, wir wissen nicht um die Leistung auf dem Trainingsplatz, aber wir wissen, dass diese 6 Jahre eine funktionierende Einheit auf dem Platz gestanden hat. Und was funktioniert, sollte man immer nur behutsam ändern. Und der Eindruck, dass hier zuviel mit dem Bulldozer eingerissen wird, der bleibt. Wir können uns nicht helfen, aber wir haben das Gefühl es wird das Herz herausoperiert.
Es bleibt zu hoffen, dass auf 7 fette Jahre mit vielen wundervollen Momenten nicht 7 dürre Jahre folgen.
Mach es gut Calle, wo auch immer es dich hin verschlägt.
Mehr als angemessene Worte, danke.
Ich kann nur anfügen daß er sich im Gespräch nicht anders gab. Ein vorbildlicher Fussballprofi und ebensolcher Mensch.
Das hat mich heute echt hart getroffen.
Schluss mit der Paderbornierterei!
Vollste Zustimmung und Danke für die Worte. Schon zu früh um solch einen Dankes Artikel zu schreiben? Auf jeden Fall nicht. Schon zu früh, um zu fragen ‚Quo Vadis, FC?‘ Vielleicht. Auf jeden Fall sehr bedauerlich und irgendwie auch sehr irritierend, dass solch ein Umbruch gerade als notwendig angesehen wird… ganz verstehen kann ich das nicht. Unterwanderung durch Ostwestfalen?Paderbornisierung? Schubertisierung? Oder doch noch Ent-Stanislawskierung?