Zum Inhalt springen

Ich Kriegsgewinnler

oder

Und nun?

Vorwort

Liebe Leser und insbesondere liebe Neuleser, dieses Geschreibsel hat in den letzten zwei Tagen soviel Aufmerksamkeit bekommen, wie noch nie zuvor. Alleine am Samstag hatte dieser Blog 23.000 Zugriffe, ein Wert, der ansonsten in einem Monat knapp erreicht wird. Die Zahl der „gefällt mir“ Angaben auf Fratzenbuch stieg innerhalb von zwei Tagen um weit über 100 und auf Twitter wurde beinah genauso oft auf den letzten Bericht verwiesen. Nun will man ja gelesen werden, wenn man etwas schreibt, aber ob man gerade für einen Frustartikel, geschrieben um 23:30 mit ordentlich Bier intus, der vor Deutschfehlern nur so strotzt (und das von meinem hohen Niveau aus), so eine Aufmerksamkeit haben will, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Meine Freude über große Zugriffszahlen ist daher doch deutlich getrübt. Und die Trübung wird dann noch größer, wenn man sieht, dass am meisten Leute von komischen Ultra und Hooligan Erlebnisforen zu meiner Seite gestoßen sind. Dann fragt man sich doch, ob dies die Leserschaft ist, die a. man haben will und die b. versteht, was man sagen will. Einige Kommentare unter dem Artikel lassen vermuten, dass dem nicht so ist. Und am liebsten wäre mir, wenn ich 500 Zugriffe auf den Artikel über ein friedliches, sangfreudiges und fröhliches Turnier mit einem braun-weißen Turniersieg gehabt hätte.

Den Vogel schoss aber Stadionwelt.de ab, die ungefragt einfach Copy Paste machten und eine Version meines Textes auf ihre Seite stellten. Das ist schon ein mehr als starkes Stück. Bei Stellungnahmen und Pressemitteilungen mag so ein Vorgehen ja noch im Rahmen des Üblichen liegen, bei einem privaten Blog, der in seinem Impressum deutlich stehen hat, dass er seine Sachen unter Copyright stellt, ist das schon sehr frech. Und richtig sauer bin ich darüber, weil ich stadionwelt.de schon mehrfach mit Fotos beliefert habe, die mich also kennen. Ich hätte eine Fremdübernahme aus prinzipiellen Gründen auch abgelehnt, auch die 11 Freunde hatte angefragt, auch da habe ich abgelehnt, was die dann mit einigen Kurzzitaten und einer Verlinkung akzeptiert haben. Das ist gutes Vorgehen und daher mal Lob an die 11 Freunde.

Kein Patentrezept

Ich rate dringend dazu, den Artikel von Freitagnacht mal deutlich zu lesen. Wer behauptet, dass St. Pauli da als komplett unschuldig dargestellt wird, der liest einfach nicht richtig. Um es mal deutlich zu sagen: Ich verabscheue Gewalt, ich finde es komplett überflüssig jemand an die Farben zu wollen, nur weil er grün-weiß anstatt braun-weiß trägt. Prinzipiell ist mir jeder Fußballfan sympathischer als ein Nichtfußballfan. Und ich finde solche „nun stellt euch doch mal“ oder „haha, immer hinter der Polizei verstecken und dann meckern“ Aussagen schlichtweg überflüssig und dämlich. Fußball geht um 22 Leute, die einem Ball hinterherjagen und die von vielen Leuten VERBAL unterstützt werden. Es geht nicht um einen Männer-Macho-Stärkenvergleich per Fäusten, es geht nicht um Revierkämpfe und es geht nicht um Farbenklauen. Wenn sich gleichgesinnte auf dem Acker einvernehmlich treffen wollen, dann können sie es gerne machen, aber ständig Unschuldige ungefragt damit reinzuziehen, kotzt mich schlichtweg nur noch an.

Und wer solche Absichten (man beachte dieses Wort) in braun-weiß vertritt, der verspielt auch irgendwann meine Grundsolidarität. Und zwar sehr schnell. Aber: Ob und wie jemand Freitag solche Absichten vertrat, dass will und kann ich nicht beurteilen. Die Vorfälle von Freitag lassen sehr viel Raum um über die richtige Reaktion zu diskutieren, aber nicht Raum um über die richtige Aktion zu diskutieren. Und das ist für mich immer noch ein wichtiger Unterschied. Trotzdem ist beides notwendig und begann auch am Wochenende, teilweise auch in Form einer deutlichen Selbstkritik. Etwas, was ich der Polizei nebenbei auch mal als Hausaufgabe empfehle. Niemandem bricht ein Zacken aus der Krone, wenn man mal Fehler eingesteht. Ein ständiges hinstellen als unfehlbar ist viel schlimmer. Niemand, kein Mensch, nicht mal ich ;-), ist unfehlbar.

Bevor aber jemand mit dem -albernen- Argument des früher alles besser kommt, sei mal deutlich darauf hingewiesen, dass es Gewalt als Reaktion (!) bei St. Pauli schon immer gab und diese auch breit getragen bzw. geduldet war und ist. (Reine Beobachtung, keine eigene Position)

Ich hasse Pauschalisierungen. Sie helfen nicht weiter. Ich habe kein Patentrezept, wie man Fußballgewalt verhindern kann. Es gibt sie schon ewig und nichts hat sie wirklich verhindert oder beendet. Eines aber weiß ich: Pauschalisierung wie „das sind keine Fans“ oder „alle lebenslanges Stadionverbot“ oder aber auch „ACAB“ (ich provozier mal ;-)) helfen nicht weiter. Sie sind populär, aber wie immer im Leben gibt es keine einfache Lösung und kein schwarz/weiß. Alleine deswegen ist es doch so wichtig, Aktion, Reaktion und aber auch Polizeitaktik am Freitag so kritisch zu betrachten.

Vieles, was ich jetzt geschrieben hätte, hat ein Beitrag auf Publikative.org bereits vorweggenommen. Und ich werde jetzt einige Sachen inhaltlich wohl wiederholen. Trotzdem empfehle ich diesen Text zum lesen.

Die Polizei und auch der Veranstalter müssen sich unangenehme Fragen gefallen lassen: Wie kann es sein, dass niemand Bauchschmerzen bekommt, wenn in Lübeck 100 Karten für Freitag, aber keine für Samstag über den Tisch gehen? Sportlich erscheint dies absurd, insbesondere da Lübeck als gute Hallenmannschaft Tradition hat, so dass man sportliche Gründe minimieren kann. Warum werden – auch wenn sie häufig zweifelhaft sind – Stadionverbote nicht durchgesetzt? Sorry, aber wenn man dieses Instrument wirklich ernst nehmen will, dann muss man sich doch mal fragen, warum diese Leute nicht in einen Hochsicherheitstrakt Bundesligastadion dürfen, aber doch in eine Halle ohne Möglichkeiten der Fantrennung. Was nebenbei mal wieder zeigt, wie absurd dieses Mittel als Präventionsmaßnahme (!!!) ist.

Schön auch, wie sich die zitierten Statements der Polizei ändern. Samstag las man noch was von „auf Facebook verabredet“, was wohl so klingen sollte, dass die Polizei auch diese modernen Kommunikationsmittel nutzt und da voll im Bilde ist. Diese Statements waren Sonntag schon wieder verschwunden, da hieß es „man wisse nicht, wie dies habe kommen können“. Es ist wohl jedem klar, warum dies so ist: Bei Aussage Nr. 1 wäre die Frage „Wenn ihr das alles wisst, warum könnt ihr es dann nicht verhindern?“ wohl für die Polizei nicht mehr sinnvoll zu beantworten gewesen. (Alles bitte mit Vorsicht zu genießen, denn das ist nach relativ dubiosen Medien zitiert.)

Ebenso muss man sich fragen, warum sogenannten Szenekundigen Beamten das (nebenbei verabscheuungswürdige und lächerliche) Ritual des gegenseitigen Fahnenraubs nicht bekannt ist. Wenn ich eine solche Straftat (wir sprechen hier immerhin von dem Verdacht des Raubes!) nicht verhindern kann, dann muss sich polizeiliche Präventionsarbeit stark hinterfragen. Und auch die Ermittlungsarbeit muss stark hinterfragt werden, wenn ich – laut Presse – nur 2 Lübecker überhaupt mal in Gewahrsam habe. D.h. ich habe nur von zwei potentiellen Tätern überhaupt die Personalien aufgenommen. Bei aller modernen Videotechnik erschwert dies eine Aufklärung ungemein. Auch hier muss man sich mal fragen, welchen gesetzlichen Auftrag eine Polizei eigentlich hat und ob sie diesen hier wirklich sinnvoll erfüllt hat.

Und hier kommen wir auch zur Presse und erneut hat schon jemand das geschrieben, was ich jetzt schreibe.

Floskeln wie „rivalisierende Fans“ „von der Polizei getrennt“ übersehen die auch politische Haltung der Angreifer (jaja, bei einer Einladung von Chemie und Babelsberg gibt es einen politischen Touch, aber „Deutsche wehrt euch, geht nicht zu St. Pauli“ ist voll unpolitische Provokation. Sorry, wer so etwas schreibt, auf den gehe ich nicht mehr ein, dem ist nicht mehr zu helfen. Daher habe ich die Kommentare unter dem ersten Bericht auch unkommentiert gelassen.) und die Geisteshaltung, die insgesamt hinter solchen Männerbündischen Reviereroberungsspielchen stehen. Sie übersehen eben auch, dass es bei so etwas immer (!) Reaktion und Aktion gibt und man immer (!) die Aktion verhindern muss.

Von einer Presse erwarte ich Recherche, eigene Überlegungen und auch ein kritisches Hinterfragen von Polizeiberichten. Ich erwarte nicht eine ungeprüfte Weiterverarbeitung von Polizeiaussagen.

Kann nebenbei jemand mal der Presse und der Öffentlichkeit den Unterschied zwischen Ingewahrsamnahme und Festnahme erklären? Es ist einfach albern, wenn diese beiden Sachen immer in einen Topf geworfen werden, denn sie sind ganz unterschiedliche polizeiliche Mittel mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Folgen.

Zu meinem Verein und hier kann ich stpauli.nu nur wortwörtlich zitieren:

„Das Andererseits darf nicht fehlen und nicht ausgelassen werden. Allerdings aus einer eindeutigen Position heraus, die uns gegen Nazihoools aus Lübeck und dem Volkspark verortet, gegen Polizeigewalt und mediale Ignoranz.“

Zuletzt zu „uns“:

Wir als aktive Fans des FC müssen uns fragen, wie wir in solchen Situationen reagieren KÖNNEN und WOLLEN. Jagdszenen um die Halle zu veranstalten, wo man im Endeffekt sich nur mit einer Polizei am längeren Hebel abarbeitet und sowieso keine Chance hat an die wirklichen Täter heranzukommen sind sinnlos. Und auch Selbstjustiz (nachträgliche Klarstellung: Das ist etwas anderes als Notwehr und aktiver Verteidigung) erscheint mir nicht der richtige Weg, sondern ist mir viel zu stark ein eingehen auf die Mechanismen des Männerbündischen Revierdenkens. Auch hier habe ich keine Patentlösung, denn das biblische „andere Wange hinhalten“ ist auch nicht wirklich sinnvoll. Man überlege mal, was passiert wäre, wenn man sich nach dem Bannerklau und bei dem Bannerklau ruhig verhalten hätte. Hilfe von der Polizei? Inklusive Wiederbeschaffung des geraubten Eigentums? In einer besseren Welt vielleicht, aber mir fehlt in der Realwelt der Glaube.

Diskussionspunkte hatte ich am Freitag schon angerissen, ich denke hier ist eine öffentliche Positionierung eines einzelnen Bloggers unsinnig. Viel wichtiger ist erstmal eine interne Diskussion und eine dann gemeinschaftliche Erklärung in den eigenen Medien an die eigenen Leute. Es ist bald Fanclubturnier, vielleicht kann man dies nutzen um die vielen unzähligen Schattierungen des FC Fanumfeldes zusammen zu bringen und Lösungsansätze zu finden.

Insbesondere müssen wir uns fragen, wie wir Leute in den Griff bekommen, die das alles als großes Spiel sehen. Das ist es nicht, dafür sind zu viele Unschuldige viel zu stark beteiligt. Ich halte nix von apokalyptischen Prophezeiung a la „irgendwann stirbt einer“, mir reicht schon die ständig latente Gefahr einen auf die Nase zu bekommen um das ganze nicht mehr als Spiel zu sehen.

Aus vielleicht nachvollziehbaren Gründen sind auch hier die Kommentare deaktiviert. Ich denke insbesondere aus den letzten Worten ergibt sich warum.

Und ihr ganzen „unpolitischen“ da draußen: Nein, ein Zurück zum unpolitischen Fußball, wo sich Rassisten und Faschisten ohne Widerstand produzieren können, den wird es und den darf es nicht geben. Dann will ich mit Fußball nix mehr am Hut haben.

8 Kommentare

  1. […] und bewerten. Als ich die richtigen Worte gefunden habe, war es auch wieder zu spät und jemand anderes hatte bereits bessere Worte gefunden. Diesmal sind ebenfalls viele Worte niedergebracht worden, […]

  2. […] schreibt und filmt die Zunft der Berichterstatter oft weitgehend am Publikum vorbei: „Ich Kriegsgewinnler“, schrieb Norbert Harz von St. Pauli-Fanblog Magischer FC vor wenigen Tagen angesichts der […]

Kommentare sind geschlossen, aber Trackbacks und Pingbacks sind möglich.