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A.C.A.B. nicht strafbar?

Vorwort

Liebe Leser, diese Urteilszusammenfassung ist bitte mit äußerster Vorsicht zu genießen. Zum einen ist dieses Urteil noch nicht allumfassend veröffentlicht, zum anderen ist es nicht rechtskräftig und zuletzt: ES BEHANDELT EINEN EINZELFALL. Ob und wie das OLG Karlsruhe entscheidet wird sehr spannend sein, denn bisher gibt es nur wenige Urteile zu der Frage ob und wie die Verwendung der vier genannten Buchstaben strafbar ist. Weiterhin möchte ich deutlich zum Ausdruck bringen, dass mir dieser Spruch insgesamt zu pauschalisierend ist. Wir befinden uns hier aber in dem sehr schwierigen Spannungsfeld zwischen plakativen Protestplakaten und unzulässigen Verkürzungen von Sachverhalten.

LG Karlsruhe: Nicht strafbar!

Wie nun die Rechtsanwaltskanzlei des Verteidigers mitteilte, hat das LG Karlsruhe einen Angeklagten vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. In der ersten Instanz war er vom Amtsgericht ebenso freigesprochen worden (zuvor war jedoch ein Strafbefehl erlassen worden). Dem ganzen liegt folgender (verkürzt wiedergegebener) Sachverhalt zugrunde: Kurz nach dem sogenannten „schwarzen Donnerstag“ hatten Fans des KSC zuerst ein Plakat mit der Aufschrift „BFE abschaffen“ und ein Plakat mit der Aufschrift „ Stuttgart 21 – Polizeigewalt kann jeden treffen“ hochgehalten. Daraus hatte man dann die Buchstaben ACAB herausgetrennt und hochgehalten. Der Angeklagte hatte dabei mitgewirkt, war geständig und hatte auch eingeräumt klar zu wissen, was diese Buchstaben bedeuten würden. Er hat sich weiterhin dahin gehend eingelassen, dass ihm die anwesenden Polizisten aber egal gewesen wären und er auch nicht anwesende Polizisten habe herabsetzen wollen, sondern allgemein Kritik an Polizeieinsätzen bei Großveranstaltungen habe üben wollen.

Ein Polizeibeamter sah sich nun in seiner Ehre verletzt und erteilte Anzeige.

Aufgrund dieses (verkürzt wiedergegeben) Sachverhaltes sprach das LG Karlsruhe nun den Angeklagten frei. Zur Begründung führte es aus, dass man zwar Menschen unter einer Kollektivbezeichnung beleidigen könne, dies aber nur dann möglich sei, wenn die beleidigte Gruppe so aus der Allgemeinheit unterscheidbar sei, dass der Kreis der Betroffenen klar abgrenzbar sei. Der fragliche Personenkreis müsse deutlich überschaubar sein, da sich sonst die Beleidigung gegen einen Einzelnen in der Vielzahl derer, die Beleidigt werden verloren ginge. (Das ist soweit ziemlich herrschende Meinung unter Juristen)

Bei der „beträchtlichen Zahl der Polizeibeamten in der Welt oder auch in der Bundesrepublik Deutschland mit ihren erheblichen Unterschieden in Aufgabenstelllung und Organisation“ könne das erkennende Gericht nicht erkennen, dass der Angeklagte nun jeden Polizeibeamten „ohne weiteres“ habe beleidigen wollen („“ sind jeweils Zitate aus dem Urteil). Eine Beleidigung könne daher nur dann vorliegen, wenn ein – vom Willen des Angeklagten umfasster – Bezug auf individualisierbare Personen vorgelegen hätte.

Ein Gericht müsse dafür den sprachlichen Zusammenhang und die außertextlichen Begleitumstände des konkreten Einzelfalles würdigen. Anhand von Art. 5 müsse geprüft werden, ob die beleidigende Äußerung diesen kränkenden Sinn auch wirklich gehabt habe. (Das ist Ausfluss aus dem „Soldaten sind Mörder“ Urteil des Bundesverfassungsgerichtes)

Und genau diese Abwägung führte das Gericht hier zu einem Freispruch. Es sah die Einlassung des Angeklagten zumindest als möglich an, wenn man den „schwarzen Donnerstag“ als Hintergrund sehe und auch bedenke, dass es an diesem konkreten Tag nicht zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Fans des KSC gekommen sei. Man könne daher nicht mit Sicherheit feststellen, dass der Angeklagte konkret die eingesetzten Beamten habe beleidigen wollen. Die Herstellung aus den vorherigen Transparenten, lasse zumindest die Deutung, die der Angeklagte geäußert habe zu. Daher müsse man freisprechen.

Aktenzeichen: 11 Ns 410 Js 5815/11

Kurze eigene Beurteilung: Ihr merkt, dass das ein ganz klares Einzelfallurteil ist und absolut kein Freibrief „A.C.A.B.“ straffrei auf jedes Transparent zu schreiben. Trotzdem gibt es nach der Meinung des LG Karlsruhe ganz klar Situationen, wo dieser Spruch noch gerechtfertigte Meinungsäußerung ist. Trotzdem sollte es auch eine Bremse sein für Polizisten, die wegen jeder „A.C.A.B.“-Punkerkutte anfangen, Anzeigen zu schreiben.

Nun können wir wahrscheinlich die Stunden zählen bis der mediale Aufschrei angestiftet durch irgendeine Polizeigewerkschaft beginnt. Tenor: „Skandalurteil! Unsere Gerichte schützen die Kollegen nicht gegen Beleidigungen.“ Auch diese Verkürzung ist natürlich ebenso unzulässig, wird aber (ebenso) passieren.

2 Kommentare

  1. goodsoul goodsoul

    Strafbar hin oder her! Der Spruch ist völlig daneben und wird es auch immer bleiben.

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