oder
Eine allgemeine Abhandlung zu Diskriminierung
(Vorab: Ich bitte die chaotische Formatierung zu entschuldigen, irgendwo in der Bearbeitungsphase und dem ständigen hin- und herschieben zwischen Smartphone und Rechner ist leider die Formatierung kaputt gegangen und ich bekomme sie nicht geändert.)
Liebe Leser, ich finde es schwierig, mich an der Debatte um Diskriminierung, “safe rooms“, etc. zu beteiligen. Ich bin kein Experte, ich bin auch garantiert selber nicht frei von (auch unbewussten) Diskriminierungen und ich gehöre keiner Minderheit an. Ich will und ich kann auch Verhaltensweisen des Übersteigers nicht verteidigen. Wenn die sich verteidigen wollen, dann sollen sie es selber machen. Ausdrücklich:
Damit gebe ich keine Meinung zugunsten oder zuungunsten des Übersteigers ab. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich bis letzten Montag nicht mal wusste, dass es Transphobie gibt. Ich befürchte beinahe, dass geht wahrscheinlich auch 90 % meiner Leser so, denn z. B. fehlt darüber auch ein deutschsprachiger Wikipedia-Eintrag (ist in Wikipedia aber als „notwendig, soll entstehen“ gekennzeichnet). Ich muss weiterhin zu meiner Schande gestehen, dass ich nicht jeden Tag Seiten über Diskriminierung lese. Ich stehe zu diesem Fehler. Ich bin in diesem Bereich immer lernwillig, wenn mich jemand etwas lehren will. Aber dazu muss man mich mitnehmen wollen. Warum? Das schreibe ich jetzt.
Niemand ist frei von Stereotypen, Gewohnheiten und/oder Sprachformeln, die diskriminieren. Nehmen wir doch mal diesen Blog, der konsequent nicht gendert. Ja, das ist Faulheit und ist per se erst mal eine Beibehaltung einer sexistischen Sprache. Sich in diesem Bereich immer wieder zu hinterfragen, ist für jeden absolut notwendig. Und hier auch den Negerkuss zum Schokokuss werden zu lassen, sprich: sich zu ändern.
Beim Gender habe ich dies nicht gemacht (zu Beginn habe ich es mal versucht), den Negerkuss habe ich noch als vollkommen normal gelernt, benutze ihn aber heute so gut wie nicht mehr, außer ich verfalle aus Unkonzentriertheit in das alte Sprachmuster.
Ebenso wird das Diskriminierungsgefühl sehr abgestuft sein. Platt gesprochen: Von „Fotze“ werden sich nahezu 100 % der Frauen diskriminiert fühlen, von einem Nichtgendern viele, aber garantiert nicht alle. Dies ist eine Annahme, die ich aus Gesprächen mit Frauen ziehe.
Und genau hier wird die Diskussion um „safe rooms“ und „Definitionsmacht“ schwierig. Denn viele Dinge sind sehr individuell, sehr ich-bezogen und neutrale Instanzen gibt es in dieser Diskussion nicht. Ich nehme mich da gar nicht aus.
Klar, kluge Menschen werden genauestens definiert haben, was ein „safe room“ ist (und dies auch im besten Wissen und Gewissen), aber ein „sich sicher fühlen an einem Ort“ kann niemand einem Anderen verorten. Und so muss man das immer beurteilen. Ein Fußballstadion ist ein Ort, an dem sich viele Menschen nicht sicher fühlen werden. Die Aggression, die Spannung und ja, auch die Prolligkeit wird viele Menschen abschrecken.
Andere werden sich dabei gerade heimisch fühlen.
Und so kann niemand sagen, ob das Millerntor ein „safe room“ ist. Jeder kann seine eigene Empfindung äußern, er kann dies laut oder leise tun, sie ist in einer ständigen Selbstkontrolle von Einzel- und Gruppenverhalten IMMER ernst zu nehmen. Alles muss immer kritisch (und dabei insbesondere selbstkritisch) durchdacht werden. Und ja, es müssen auch eigene Verhaltensweisen immer durchdacht werden. Nur verallgemeinern kann ich diese individuelle Erfahrung nicht. So kann ich weder coole Bilder eines Homosexuellen, noch den Fakt, dass ich in der Kurve Menschen von Minderheiten sehe, die sich ganz offensichtlich gelöst amüsieren (so in Trier und auf diversen Fahrten im Bus) als Beweis dafür nehmen, dass wir im Allgemeinen ein „safe room“ sind, noch kann ich andersherum das individuelle Verneinen als absoluten Gegenbeweis nehmen.
Beides muss ich aber in meine Selbstkritik, meine Selbstkontrolle, meinen Verbesserungswillen einfließen lassen.
Das ist für mich der Anspruch des Anderssein. Selbstkritik, Selbstdefinition und Selbständerung als stetiger Prozess. Offen für Neues und für sich selbst alles bewerten. Aber (und das sei mir hier
erlaubt) darüber nicht vergessen, dass wir ein Fußballclub sind, ein Ort, wo nicht das feine Wort der Sprache geschwungen wird. Und nein, damit rechtfertige ich keine Diskriminierung.
Womit wir beim Thema Definitionsmacht sind. Klar ist: Auch diesem Bereich gibt es eine Schwarzzone, eine dunkle Grauzone, eine helle Grauzone und eine Weißzone, die alle schön konturlos ineinander fließen. Und dies zu definieren ist mehr als schwierig. Und das bei einer sich ständig ändernden Wahrnehmung von Sprache. Dazu nur ein Beispiel: Ich habe in den 89er Jahren in England Shirts gesehen, wo sinngemäß draufstand: „Du wirst lila, wenn dir schlecht ist, rot, wenn du in der Sonne liegst, weiß, wenn du Angst hast und du nennst mich „farbig“? Coloured auf englisch. Das sollte ein Antidiskriminierungsshirt sein und es ist eben von entsprechenden Händlern angeboten worden. Spätestens seitdem versuche ich die Bezeichnung „farbig“ zu vermeiden, weil ich selbst sie als diskriminierend empfinde. Umso erstaunlicher finde ich, dass sich Leute heute selber als PoC bezeichnen, was für People of Colour steht und für diese Leute eine politisch korrekte Bezeichnung sein soll. Ich kann das nicht werten, ich will das nicht werten, ich will nur sagen, dass ich in meinem subjektiven Unwissen darüber erstaunt war. Aber zurück zur Definitionsmacht:
Definitionsmacht hat ja nicht nur zufällig das Wort MACHT da drin, denn seien wir uns klar: Das ist Macht. Und zwar eine ziemlich starke, denn ein Verstoß gegen die Definition hat immer den Vorwurf eines -smus, ein Vorwurf, der jeden „links“ denkenden Menschen sehr treffen wird.
Und Macht zu legitimieren ist DAS Thema der Neuzeit. Von Gottes Gnaden?
Vergesst es! Alle Macht geht vom Volke aus? Wer von euch, liebe Leser, glaubt noch an diesen Satz und hält ihn für verwirklicht? Wir müssen uns also fragen, wie wir hier Legitimation herstellen. Die demokratische „von unten“-Legitimation hat hier einen Webfehler, denn dann entscheidet die Mehrheit im Notfall, wie sie die Minderheit diskriminiert.
Okay, lassen wir die Minderheit entscheiden!?! Klingt super, aber dass es sich die Mehrheit hier sehr bequem macht, ist jedem klar, oder?
Diskriminierung zum (alleinigen) Thema der Minderheit zu machen, ist per se wiederrum Diskriminierung. Und auch andersherum wird ein Hemmschuh draus.
Minderheiten neigen nicht dazu, demokratisch legitimierte Vertretungen zu haben. Was jetzt kein Vorwurf ist, sondern eine einfache Feststellung.
Und sie sind so heterogen wie jede Gruppe von Menschen. Und da ist doch wohl auch der Hebel der Diskriminierung genauso wie die gesamte Problematik dieser Diskussion. Mehrheit wie Minderheit werden Attribute gegeben, die verallgemeinernd sind, die vielleicht für einige (vielleicht auch für viele?) stimmen, aber garantiert nicht für alle.
Die Individualität des einzelnen Menschen wird gepflegt beiseite gewischt und stattdessen werden Gruppen mit Attributen erschaffen.
Beispiele erspare ich mir, denn Klischees hier wiederzugeben langweilt mich.
Okay, wir bleiben bei unserer Frage, wo die Definitionsmacht hin soll.
Es gibt eigentlich immer Gruppen, Vereine oder Organisationen, welche diese für sich reklamieren. Dies ist erstmal positiv und wichtig. Es versuchen einige Leute wirklich, sich ernsthaft dieser Frage zu stellen und ihre Meinung dazu zu formulieren. Und viele Sachen sind unglaublich klug, augenöffnend und weiterführend. Ich bin auch weit davon ab, irgendwem von denen böse Absichten oder Fehler zu unterstellen.
Jedoch: Ein Sprechen für die Allgemeinheit ihrer Minderheit, ihrer Mehrheit, ihrer Gruppe und eine Allwissenheit können auch diese Gruppen/Vereine/Organisationen nicht beanspruchen und es wäre ein Fehler, wenn sie es doch täten. Und mir als aufklärendem Diskutanten wird auch zu schnell mit der -ismen-Keule und der „ich bin nicht -ismen“-Keule geschwungen, anstatt aufzuklären, mitzunehmen, zu diskutieren, zu lernen und zu lehren.
Die Wahrheit hat nicht der gepachtet, der am lautesten schreit (platt gesagt). Die Wahrheit (wenn es sie denn gibt) können Mehrheit und Minderheit nur gemeinsam in einem ständigen offenen (!) Diskurs und einem ständigen aneinander Lernen finden. Ja, das ist verkürzend und klingt diskriminierend und ich weiß jetzt schon, was als Gegenargument kommt:
„Du bist doch nur ein weißer, heterosexueller Mann, der Angst vor dem Verlust seiner Machtstellung hat und der hier perfide ein Machtspiel spielt.“ Okay, dagegen kann man nix sagen, denn ob man böse oder gute Absichten hat, das ist dem Beweis nicht zugänglich. Daher kann ich natürlich nicht sinnvoll auf dieses Argument antworten, außer mein bisheriges Handeln und mein bisheriges Sagen zur Schau zu stellen. Wer darin böse Absichten erkennt und mir ein Machtspiel unterstellt, den werde ich nicht vom Gegenteil überzeugen. Insofern versuche ich es auch gar nicht erst.
Nun haben wir also bereits ein Problem, überhaupt jemanden mit einer Legitimationsmacht „zu beauftragen“ (mir fällt keine bessere Formulierung ein). Nur, selbst wenn wir diesen Jemand nun finden, gibt es sofort ein neues Problem: Macht benötigt auch immer Kontrolle. Und da kann man das eben Gesagte genauso wiederholen.
Daher bleibt aus meiner Sicht nur Eines: Der ewige Diskurs, die ewige Selbstkontrolle, die ständige Auseinandersetzung mit solchen Themen und dies am Besten in einem offenen und zielgerichteten Dialog.
Dabei darf man aber einige Dinge nicht vergessen: 1. Man muss auch mal stolz auf das Erreichte sein. Wie schrieb ein User im Forum so schön? „Nichts ist gewonnen, aber nicht alles ist verloren.“ (Ohne mir jetzt den weiteren Beitrag zu eigen machen zu wollen.) Man muss Erreichtes auch mal als Erreichtes definieren und auch darauf stolz sein. Um es auf St. Pauli-Verhältnisse umzumünzen: Nein, wir sind nicht diskriminierungsfrei, wir sind nicht perfekt, wir sind sogar weit davon entfernt, aber nenne mir ein anderes Stadion, wo sich (hoffentlich) in jedem Bereich des Stadions bei dem Ruf „du schwule Sau“ sofort jemand umdreht und seine Ablehnung deutlich macht. Ja, ich weiß selbstgefällig. Diesen Vorwurf kann man gerne machen, ich halte ihn nicht für richtig. Denn wenn man immer so tut, als ob man bei minus 10 anfängt, dann ist das auch kein mitnehmen, kein weiterentwickeln, kein sich verbessern. So kommt man nie zur – noch lange nicht erreichten – Perfektion. 2. Man darf über den Diskurs das Leben nicht vergessen. Kein Mensch ist perfekt. Nur deswegen macht das Leben auch Spaß.
Und wer mir jetzt damit unterstellt, ich hätte hier Partei ergriffen, dem reisse ich den Kopf ab. Um das noch mal deutlich zu sagen.
Keine Angst, ich reiße die Diskussion nicht gleich an mich – ich finde das vorbildlich hinsichtlich einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Thema und hätte mir so was von anderer Seite auch gewünscht. Insofern Dankeschön. Zum Inhaltlichen später.
Guter Text… danke!
Dein Beitrag ist so weit von selbstgerecht, selbstgefällig und arrogant entfernt, wie er nur sein kann 😉
Sehr gut geschrieben. Ich denke, damit kann jeder was anfangen.
Da sich sonst keiner äußert, vielleicht auch aus Angst, mit -ismen belegt zu werden:
– Die Frage ist nicht primär, wer nun individuell auf was besonders empfindlich reagiert im Falle diskreditierender Stereotype. Dass es diese gibt und die je unterschiedlich Wirkung zeigen bei den Betroffenen und diese Stereotype somit im Zuge ihrer Sozialisation eine große Rolle spielen, bei denen, die ihnen nicht unterliegen, jedoch nicht, ist ja eine empirische Frage, keine moralische. Und es ist so, dass es sie gibt und sie eine Assymetrie erzeugen, weil der, der Objekt derer immer schon war, sich dazu verhalten muss. Ob er sich irgendwann immunisiert hat, die Stereotype vielleicht sogar selbst internalisiert hat, sich unterwirft oder gegen schießt oder sie schluckt und hin nimmt, weil die Welt nun mal so ist, wie sie ist, das ist ja schnurz oder es ihn einfach nicht so stört – problematisch ist, dass diskreditierende Stereotypen ungebrochen und ununterbrochen artikuliert werden und Verhalten und Selbstverständnis im Bezug auf diese entwickelt wird.
Was übrigens niemandem klarer sein sollte als jenen, die aus einer Identifikation mit dem FC St. Pauli heraus es ja als eine Art Diskriminierungserfahrung erleben, wenn sie mit dem „Freudenhaus“ identifziert werden. Aber warum? Da kam keine Antwort.
Außer dass die Ballermann-Fraktion nervt. Mich auch. Wofür aber keine Prostituierte was kann. Und Lilo Wanders auch nicht. Und schon die Zuspitzung einer solchen Frage auf Symbolpersönlichkeiten verfehlt völlig die Frage nach den sozialen und ökonomischen Gegenbenheiten, die hinter Event und Junggesellenabschied sich verbergen. Selbst bei einer Randbemerkung. Und ja die Nennung der Namen in einem Kontext mit Beate Uhse das Problem war. Weil das eben ein komplexes Stereotyp konstruiert, dass der deutsche Spießer schon immer zugleich hasste und brauchte, um sich darüber zu erheben: Das „Milieu“. Wo auch die Schwuppen poppen, das „Homosexuellen-Milieu“.
Zudem trotz aller Liebe zum Verein Fragen wie Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Pigmentierungsweise dann doch die tiefer greifenden sind.
– Es geht nicht um die Intention einer Aussage, es geht um deren Wirkung. Die kann völlig unbeabsichtigt erfolgen. Passiert ganztägig und überall, die Stereotypie. Die Intention ist zweitrangig. Irgendein situativ blöder Spruch passiert jedem ständig. Problematischer sind da jene „Meinungsmacher“, die Resonanz in sozialen Räumen erzeugen. Die müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Das gilt übrigens auch für Moderatoren in einem Forum. Dich meine ich nicht. Wenn die nicht aufpassen, kippt der ganze Laden um. Die sind auch nicht legitimiert, Verantwortung auf die Betroffenen abzuwälzen.
– „Safe Place“ heißt, in einem Raum sich aufzuhalten, in dem bewusst Stereotypen vermieden werden und vor allem der Hinweis auf diese nicht mit einer langwierigen Diskussion der Legitimation dieses Anliegens beantwortet wird, sondern prompt reagiert wird. Ganz prompt. Wenn mich jemand anmailt, ihn habe der Begriff „hysterisch“, Klassiker zur Diskreditierung von Frauen, genervt, lösche ich den sofort. Das könnnen Frauen einfach von mir als Blogbetreiber erwarten, und ein „Sorry, merk ich mir!“. Das ist ja auch gar nichts Schlimmes. Ich versteh den Aufstand da nicht. Dass Leute – Du nicht – sich schon völlig übermächtigt fühlen, wenn sie auf diskreditierende Stereotypen verzichten, das verstehe ich noch nicht mal.
Wenn hingegen sofort eine Diskussion darüber entbrennt, dass Betroffene aktiv den ganzen Tag irgendwas suchen, um sich diskriminiert fühlen zu können, ist es kein „Safe Place“. Ganz einfach. Deshalb ist das Forum keiner. Wenn man einen Hinweis auf koloniale Darstellungstraditionen im Heft erhält, thematisiert man das und sagt sorry. Auch da gibt es profundes Fachwissen, dass man sich selbst aneignen kann, um das auch ohne jeden Hinweis fest zu stellen beim antirassistischen Verein.
– Wer kontrolliert die Macht? Sollen das nun wieder die sein, die sie nun eh alltäglich AUSÜBEN? Seit Jahrhunderten? Das ist eine Erkentnis, die man komischerweise auf der irgendwie Linken ganz schlecht aushalten kann. Dass man Macht ausübt, indem man sich im Rahmen seiner sozialen Rollen bewegt. Und Schwule mit Machtbewusstsein offenkundig auch nicht.
Ich bin doch als weißer Mann auch positioniert in einem Gefüge von Hierarchien und genieße dadurch Privilegien. Und versuche da gegen zu stuern, indem ich versuche, möglichst viel Frauen und PoC in meiner Firma zu haben.
Macht ist Teil eines jeden Lebens, und jedem wird sein Ort zugewiesen. Privililegien merkt man ja gar nicht, weil das immer nur die merken, die keine haben: Kein Geld für die Praxisgebühr. Keinen deutschen Pass. Keine Möglichkeit der Steuererleichterung, wenn man sich auf diesen Unsinn Homo-Ehe einlässt. Und vor allem: Keine diskreditierenden Stereotype, die einen in Zeitungen indirekt im Sex-Shop abstellen.
Zum Thema Macht ist noch viel mehr zu schreiben. Mach ich die Tage.
– PoC: Kann man ganz einfach auf der Seite des Braunen Mob.
Und ja, es wurde wahnsinnig viel bei uns erreicht. Ich habe es genossen, als ein „Schwuchtel“-Rufer von 3 Haupttribünentreihen zusammen gefaltet wurde.
Es gibt aber auch den Fall, dass Freundinnen Dauerkarten und Vereinsmitgliedschaft zurück gaben, weil sie das Stadion nicht als „Safe Place“ erlebten. Dumme Sprüche rein gedrückt bekamen, per Fanzine und weil sie im Stadion noch unter Rechtfertigungsdruck gestellt wurden, wenn sie baten, rassistische Sprüche abzustellen. Ganz schlimm wohl bei Morike Sako. Ich meine, das kann doch keiner wollen. Da müssen wir doch überlegen, wie man dagen an kommt. Das Rad weiter drehen. Machst Du ja. Ich mach mit. Und irgendwas sagt mir: Der Übersteiger will eigentlich auch.
Ich habe an einer entscheidenden Stelle falsch gegendert, bei „hysterisch“. Sorry, aber typisch Mann.
@momorulez: PUUUH Ich werde mal ein zwei Punkte rausgreifen, aber einziges möchte ich nicht beantworten.
– Die Frage ist nicht primär, wer nun individuell auf was besonders empfindlich reagiert im Falle diskreditierender Stereotype. Dass es diese gibt und die je unterschiedlich Wirkung zeigen bei den Betroffenen und diese Stereotype somit im Zuge ihrer Sozialisation eine große Rolle spielen, bei denen, die ihnen nicht unterliegen, jedoch nicht, ist ja eine empirische Frage, keine moralische. Und es ist so, dass es sie gibt und sie eine Assymetrie erzeugen, weil der, der Objekt derer immer schon war, sich dazu verhalten muss. Ob er sich irgendwann immunisiert hat, die Stereotype vielleicht sogar selbst internalisiert hat, sich unterwirft oder gegen schießt oder sie schluckt und hin nimmt, weil die Welt nun mal so ist, wie sie ist, das ist ja schnurz oder es ihn einfach nicht so stört – problematisch ist, dass diskreditierende Stereotypen ungebrochen und ununterbrochen artikuliert werden und Verhalten und Selbstverständnis im Bezug auf diese entwickelt wird.
=> hmmmmmmm auf der einen Seite hast du Recht, drückst dich aber um die Frage: Was ist eigentlich diskreditierend? Und wer bestimmt dies?
Was übrigens niemandem klarer sein sollte als jenen, die aus einer Identifikation mit dem FC St. Pauli heraus es ja als eine Art Diskriminierungserfahrung erleben, wenn sie mit dem “Freudenhaus” identifziert werden. Aber warum? Da kam keine Antwort.
=> das ist mir entschieden zu hoch aufgehängt. Das Wort Diskriminierung käme mir bei dieser Freudenhauslaberei der Medien (die mich auch derbst nervt) nicht in den Sinn. Aber du schränkst es ja selber über „eine Art“ ein.
Außer dass die Ballermann-Fraktion nervt. Mich auch.
=> Und nur das ist der Grund für die Ablehnung des Freudenhausimages bei mir.
Wofür aber keine Prostituierte was kann. Und Lilo Wanders auch nicht. Und schon die Zuspitzung einer solchen Frage auf Symbolpersönlichkeiten verfehlt völlig die Frage nach den sozialen und ökonomischen Gegenbenheiten, die hinter Event und Junggesellenabschied sich verbergen. Selbst bei einer Randbemerkung. Und ja die Nennung der Namen in einem Kontext mit Beate Uhse das Problem war. Weil das eben ein komplexes Stereotyp konstruiert, dass der deutsche Spießer schon immer zugleich hasste und brauchte, um sich darüber zu erheben: Das “Milieu”. Wo auch die Schwuppen poppen, das “Homosexuellen-Milieu”.
=> da enthalte ich mich jetzt mal bewusst ohne dir widersprechen zu wollen.
Zudem trotz aller Liebe zum Verein Fragen wie Geschlecht, sexuelle Orientierung oder Pigmentierungsweise dann doch die tiefer greifenden sind.
– Es geht nicht um die Intention einer Aussage, es geht um deren Wirkung. Die kann völlig unbeabsichtigt erfolgen. Passiert ganztägig und überall, die Stereotypie. Die Intention ist zweitrangig. Irgendein situativ blöder Spruch passiert jedem ständig. Problematischer sind da jene “Meinungsmacher”, die Resonanz in sozialen Räumen erzeugen. Die müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein. Das gilt übrigens auch für Moderatoren in einem Forum. Dich meine ich nicht. Wenn die nicht aufpassen, kippt der ganze Laden um. Die sind auch nicht legitimiert, Verantwortung auf die Betroffenen abzuwälzen.
=> Das ist eine hohe Hürde. Und ich glaube nicht, dass sich Moderatoren eines Forums so sehen und sich dem bewusst sind. Für die ist das in der Freizeit ein kleiner Dienst an der Allgemeinheit.
– “Safe Place” heißt, in einem Raum sich aufzuhalten, in dem bewusst Stereotypen vermieden werden und vor allem der Hinweis auf diese nicht mit einer langwierigen Diskussion der Legitimation dieses Anliegens beantwortet wird, sondern prompt reagiert wird. Ganz prompt. Wenn mich jemand anmailt, ihn habe der Begriff “hysterisch”, Klassiker zur Diskreditierung von Frauen, genervt, lösche ich den sofort. Das könnnen Frauen einfach von mir als Blogbetreiber erwarten, und ein “Sorry, merk ich mir!”. Das ist ja auch gar nichts Schlimmes. Ich versteh den Aufstand da nicht. Dass Leute – Du nicht – sich schon völlig übermächtigt fühlen, wenn sie auf diskreditierende Stereotypen verzichten, das verstehe ich noch nicht mal.
=> ich würde auch reagieren, zumindest mit einer Erklärung. Und vermeide das Wort hysterisch meistens, außer es passt mal ausnahmsweise, dann aber bei beiden Geschlechtern. Das falsche Gendern kommt ihr aber sehr gut nebenbei. Es wäre doch schön, wenn ein Mann einen drauf aufmerksam machen würde, oder?
Wenn hingegen sofort eine Diskussion darüber entbrennt, dass Betroffene aktiv den ganzen Tag irgendwas suchen, um sich diskriminiert fühlen zu können, ist es kein “Safe Place”. Ganz einfach. Deshalb ist das Forum keiner. Wenn man einen Hinweis auf koloniale Darstellungstraditionen im Heft erhält, thematisiert man das und sagt sorry. Auch da gibt es profundes Fachwissen, dass man sich selbst aneignen kann, um das auch ohne jeden Hinweis fest zu stellen beim antirassistischen Verein.
– Wer kontrolliert die Macht? Sollen das nun wieder die sein, die sie nun eh alltäglich AUSÜBEN? Seit Jahrhunderten? Das ist eine Erkentnis, die man komischerweise auf der irgendwie Linken ganz schlecht aushalten kann. Dass man Macht ausübt, indem man sich im Rahmen seiner sozialen Rollen bewegt. Und Schwule mit Machtbewusstsein offenkundig auch nicht.
=> die Fragen sind definitiv für mich nicht zu beantworten. Ich weiß es nicht und sehe da ein ganz großes Problem.
Ich bin doch als weißer Mann auch positioniert in einem Gefüge von Hierarchien und genieße dadurch Privilegien. Und versuche da gegen zu stuern, indem ich versuche, möglichst viel Frauen und PoC in meiner Firma zu haben.
Macht ist Teil eines jeden Lebens, und jedem wird sein Ort zugewiesen. Privililegien merkt man ja gar nicht, weil das immer nur die merken, die keine haben: Kein Geld für die Praxisgebühr. Keinen deutschen Pass. Keine Möglichkeit der Steuererleichterung, wenn man sich auf diesen Unsinn Homo-Ehe einlässt. Und vor allem: Keine diskreditierenden Stereotype, die einen in Zeitungen indirekt im Sex-Shop abstellen.
Zum Thema Macht ist noch viel mehr zu schreiben. Mach ich die Tage.
– PoC: Kann man ganz einfach auf der Seite des Braunen Mob.
=> ich will gar nicht an der Legitimation des Begriffes zweifeln. Ich finde es nur erstaunlich, dass man den Begriff „Colour“ für sich selbst wählt, den ich bisher nur in einem diskriminierenden Kontext kennen gelernt habe.
Und ja, es wurde wahnsinnig viel bei uns erreicht. Ich habe es genossen, als ein “Schwuchtel”-Rufer von 3 Haupttribünentreihen zusammen gefaltet wurde.
Es gibt aber auch den Fall, dass Freundinnen Dauerkarten und Vereinsmitgliedschaft zurück gaben, weil sie das Stadion nicht als “Safe Place” erlebten. Dumme Sprüche rein gedrückt bekamen, per Fanzine und weil sie im Stadion noch unter Rechtfertigungsdruck gestellt wurden, wenn sie baten, rassistische Sprüche abzustellen. Ganz schlimm wohl bei Morike Sako. Ich meine, das kann doch keiner wollen. Da müssen wir doch überlegen, wie man dagen an kommt. Das Rad weiter drehen. Machst Du ja. Ich mach mit. Und irgendwas sagt mir: Der Übersteiger will eigentlich auch.
=> danke, eben. Es ist einiges erreicht, aber wir sind eben noch lange nicht perfekt. Hmm… Ich „lebe“ wohl im falschen Stadionteil, denn bei uns wurde Sako immer nur vergöttert.
Neben individuellen Empfindlichkeiten, auf die Rücksicht zu nehmen ja nun auch nix Schlimmes ist, gibt es dazu jede Menge Material, dass die Diskreditierungsmuster auf diversen gesellschaftlichen Feldern analysiert. Bestimmen tut die Bundeskanzlerin, stellvertretend, dass Homo-Beziehungen weniger wert sind und Ghanaer abgeschoben werden sollten. Empirisch gibt es dafür keine Gründe. Juristisch ist das ein Verstoß gegen die freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde – sieht das Verfassungsgericht auch so. Ich kann nur wiederholt alleine schon auf den Antwortenkatalog des Braunen Mob verweisen. Oder weniger mal einen einzigen Text zur Queer-Theory oder zum Konzept der Heteronormativität lesen. Das kann man nicht vom Feld-, Wald und Wiesen-St.Paulianer erwarten, aber sehr wohl von Fanzine-Machern. Ich wüsste jetzt nicht, wieso da Regeln nicht gelten sollen, die für SpOn-Autoren auch gelten sollten. Schon gar nicht bei unserem Anspruch.
Diskreditierung setzt da an, wo wertend Assymetrien hergestellt werden. Das kann im Konkreten auch sehr subtil geschehen. Und hat unsere Kultur und Gesellschaft bis ins Tiefste hinein geprägt. Die IST homophob, sexistisch und rassistisch. Da ist auch keiner frei von. Machtbeziehungen durchziehen die Körper, Foucault. Und da ist im Kontext des FC St. Pauli einfach Zuhören angesagt und auch, sich selbst Wissen anzueignen.
Schon die Toleranz-Nummer stellt Assymetrien her, dummerweise auch Hilfsaktionen, was ein echt schwieriges Feld ist, wo da was wie zu sehen ist. Und richtig ab geht es oft, wenn einer aus einer marginalisierten Gruppe in eine Machtposition gerät. Damit können die meisten Männer nicht umgehen – Schwarze, die Geld haben, oder Transvestiten als Präsidenten.
Was ja aller Ehren wert ist; dennoch werden sie als Autoritäten wahr genommen und sollten dann vielleicht nicht auch noch die blödesten Muster reproduzieren.
Für mich ist sie dahingehend klar zu beantworten, dass Nicht-Marginalisierte es unterlassen sollten, stigmatisierende Stereotype zu reproduzieren. Das ist ja nun erst mal ein Verzicht auf Machtausübung.
Ständig diese Machtumkehr zu befürchten, dass nun die „Migranten“verbände die Mehrheitsgesellschaft terrorisieren, das ist politisch echt gefährlich und zudem einfach ein Indikator dafür, dass ein Privileg vorliegt. Es geht zunächst um die berechtigte Zurückweisung von Machtansprüchen über Nicht-Privilegierte. Ein uraltes, linkes Thema.
Viel erstaunlicher ist übrigens, dass man zwar gelegentlich „Weiße“ hört, das aber selten Selbstverständnis ist. Da setzt der PoC-Begriff an. Eigentlich heißt das „nicht weiß“.
Schöner Text, Danke.
Der kann sicher auch gut als Diskussionsgrundlage dienen, für die Zukunft.
Na, die Diskussion nimmt ja Konturen an 😉 – freut mich, dass Du das auch so siehst, Frodo! Meine ich jetzt nicht als blöden „Siehste!“-Spruch, sondern vollkommen ernst! Das freut mich wirklich.
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