oder
Schulte, Sie passen nicht in diesen Verein, bitte treten Sie umgehend zurück!
Vorwort
Bevor es nicht offiziell ist, kommentiere ich Spieler-Verabschiedungen nicht. Das ist ein eisernes Gesetz. Und nur sehr wenigen Spielern würde ich überhaupt einen eigenen Beitrag widmen.
Aber hier gehen zwei Spieler unter Umständen, für die man sich einfach nur schämen muss.
Ja, die Ultras hinterweltlerisch Berlin würden uns nun wieder vorwerfen, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt, aber die können ja mit ihrer verqueren Besserwisserlogik gerne mal bei Lorbeer Rothenburgsort ankommen. Die würden keine 10 Sekunden dort bleiben am Stammtisch in Rothenburgsort. (Toller Platz nebenbei)
Herr Schulte, mit Verlaub, Sie sind…
Ja, wir spielen im Profifussball – in einem Haifischbecken, wo nur wenig Platz für Menschlichkeit ist. Aber diesen kleinen Platz, der dort ist, den muss man nutzen. Oder anders ausgedrückt: Könntet Ihr Euch vorstellen, dass Uli Hoeness Spieler unverabschiedet gehen lassen würde, die weder im Streit gehen noch sich jemals hängen liessen und die 7 Jahre ihre Knochen hingehalten haben? Ich nicht.
Und wenn Verantwortliche dieses kleine bisschen Menschlichkeit vermissen lassen, dann haben sie bei uns nichts zu suchen. Und dieser Vorwurf geht an Sie, Herr Schulte. Gehen Sie, verschwinden Sie einfach aus dem Verein, der mir und der Lelle und Egi soviel bedeutet.
Nein, die Ausrede „der neue Trainer muss doch erstmal planen“ lasse ich nicht gelten. Jeder Blinde mit einem Krückstock konnte sehen, dass es für die beiden sportlich eng wird und es wäre Ihre ehrenvollste Aufgabe gewesen, sofort nach der Unterzeichnung mit Schubert zu klären, ob und wie die beiden noch gebraucht werden. Und dies vor dem letzten Heimspiel, um die beiden wenigstens angemessen zu verabschieden. Denn dies hätten die beiden verdient. Viel mehr als Bastian Oczipka und Richard Sukuta-Paso. Warum? Das können Sie gerne noch mal nachlesen, hier jetzt gleich. Die Entscheidung Montag oder Dienstag nach dem letzten Heimspiel zu fällen, das ist Absicht. Ja, ich unterstelle Ihnen da was, aber die Argumente sind auf meiner Seite.
Absicht? Ja, ich unterstelle noch mehr: Publikumslieblinge, die Sie nicht geformt haben, die Sie nicht selber sind? Ist ja unangenehm. In Ihnen kocht anscheinend der Neid. Den Applaus können Sie anscheinend nicht gönnen. Menschlich sehr schwach. Unerträglich schwach.
Nein, das ist nicht mein St. Pauli. Mein St. Pauli, das menschliche Antlitz im falschen Leben. Herr Schulte, Sie sind untragbar für mich, gehen Sie. Weit weg. In einen Verein, der sich einfach nur über seinen sportlichen Erfolg definiert. Hier haben Sie nichts verloren.
Und die lauten Rufe „Schulte raus“, die nun hoffentlich in Mainz ertönen, die haben Sie sich redlich verdient. Und glauben Sie mir, ich fordere sonst nie den Kopf eines Verantwortlichen. Zumindest habe ich es lange nicht mehr. Nein, es geht nicht um „Erfolg“, um „Qualität“ es geht um Menschlichkeit. Und die fehlt Ihnen.
Und ja, mir ist der Abschied vor einem vollen Millerntor, würdig und laut, der ist mir wichtig. Wichtiger als vieles. Das kann man nicht durch ein Abschiedstestspiel ersetzen. Und so klingen die salbungsvollen Worte von Orth (!!!!) auch hohl: „Es ist uns wichtig, dass wir beide gemeinsam mit unseren Fans würdig verabschieden“, so Orth. Wie, wo und wann die Verabschiedung genau stattfinden wird, wird in den nächsten Tagen besprochen.“. Tja Herr Schulte, nicht einmal auf der offiziellen HP lassen Sie sich irgendwie lobend zitieren. „Schwer gefallen“ wie lächerlich, wie hohl, wie nichtssagend. Nein, Sie sind nicht St. Pauli. Wo haben Sie bloss den Helmut der 80er Jahre gelassen?
Lieber Egi
Marcel Eger, 23.03.1983 irgendwo geboren, 110 Pflichtspiele für braun-weiß, davon die wenigsten in den letzten Saisons. Und trotzdem ein Garant des Aufstieges. Warum?
Ja, lieber Egi, ich werde diesen Tag nie vergessen, und an diesem Tag habe ich Dich endgültig in mein Herz geschlossen. Es war kurz vor dem entscheidenden Spiel am Montagabend gegen Augsburg. USP hatte schon verkündet, dass sie den 20-Minuten-Boykott auch bei diesem Spiel durchziehen würden und Du standest vor dem Fanladen und diskutiertest, als ich da in ganz anderer Sache hinkam. Ich weiß nicht, ob Du zufällig da warst, ob geplant, ob aus eigenem Antrieb oder als Botschafter der Mannschaft. Aber Du warst da, stelltest Dich alleine gut fünf bis zehn aufgebrachten Ultras (pauschalisiert) und Ihr diskutiertet. Und zwar mal ärgerlich, mal lautstark. Und ich glaube, Ihr seid an diesem Tag nicht mal zu einer Meinung gekommen. Aber Du nahmst Dir die Zeit (ich ging nach mehr als einer Stunde und Ihr standet da immer noch), gingst dieser Diskussion nicht aus dem Weg, auch wenn sich Deine Stirn teilweise arg in Falten zog. Und bis heute glaube ich, dass Deine Argumente gegen den Boykott, Deine Argumente dafür, dass die Mannschaft die Unterstützung braucht, dafür gesorgt haben, dass der Boykott opportunistisch aufgehoben wurde und eine Stimmung am Millerntor herrschte, die an diesem Abend jeden Gegner in die Knie gezwungen hätte. Gespielt hast Du an diesem Abend nicht eine Minute, aber ja, Du warst die entscheidende Person für dieses Spiel und damit für den Aufstieg.
Du, der mit seiner Tasche mit der 14 drauf durchs Viertel schlurft, der VcA mit Herz und Seele unterstützt, der bei Bela B. trommelt und dem mal zeigt, wie man das macht. Ja, Marcel, Du bist St. Pauli. Und nicht die Schulte, Meeskes oder Späths dieser Welt. (Und ja, ich nenne bewusst nun Angestellte). Ich will Dich behalten, und wenn es auf dem Platz nicht mehr reicht (leider), dann will ich Dich im Notfall als was auch immer haben. Mir egal. Aber in 7 Jahren hast Du mehr für diesen Verein getan als andere Menschen in 20. Du hast seinen Charakter gelebt und geprägt.
Danke Marcel. Mach es gut, und komm irgendwann wieder zu uns.
Auch Dir, lieber Lelle
Wer erinnert sich nicht? Wir liegen 2-3 gegen Hertha zurück, Lelle wird von Krämpfen geschüttelt. Er bekommt den Ball vor der Gegengerade und versucht so etwas wie einen Sturmlauf. Der an den Krämpfen scheitert. Anscheinend gibt der Fussballgott ihm die entscheidende Eingebung: „Wenn du nicht weißt, wohin mit dem Ball, dann ins Tor“. Lelle schießt. Viel zu weit weg vom Tor, viel zu gekrampft eigentlich. Aber irgendjemand will, dass es gelingt, und das Geschoss schlägt in der Verlängerung zum 3-3 ein. Der Rest ist Geschichte.
Ich glaube, Antje machte das Foto von Deinem anschließenden Jubellauf. Eines meiner Lieblingsfotos aus 27 Jahren St. Pauli und auch zu Recht groß im Jubiläumsbuch abgedruckt. Man sieht deine Freude, deine verkrampften Finger (!) und man sieht wie wichtig dir dieses Tor für deinen Verein war.
Leider meinte der Fußballgott, Dir diesen Glücksmoment heimzahlen zu müssen, und Du hattest danach ungefähr jede blöde Verletzung, die man sich vorstellen kann. Der Beinbruch in der Vorbereitung zur ersten Zweitligasaison hat Dich wahrscheinlich viel gekostet, denn es fehlte Dir ein unglaublich wichtiges Jahr. Aber mit deinem Kampfgeist hast Du Dich immer wieder heran gekämpft, jeder Rückschlag hat dich eigentlich nur noch kämpferischer gemacht, immer vorbildlich. Und selbst wenn Du noch so stark die sportlichen Grenzen aufgezeigt bekommen hast hast Du Dich nie hängen lassen und bist auch in den 100sten aussichtslosen Zweikampf mit Arjen Robben gegangen. Solche Typen haben uns gefehlt. Leider ist Dir das Abschiedstor knapp verwehrt worden. Aber da war er wieder, der Fußballgott.
Er hat dir aber immerhin 115 Pflichtspiele (nebenbei nur zwei Tore, wenn Wikipedia stimmt) in braun-weiß gegönnt. Ich habe jedes Spiel genossen – wenn Du gespielt hast, dann wusste ich: Hier wird 90 Minuten für braun-weiß gespielt.
Würde das alles schon reichen um dich hier unvergesslich zu machen, ist es auch bei Dir das Angenehme sein neben dem Platz. Eher immer etwas zurückhaltend und still, aber alleine die ganzen Fotos mit Laila, das Interview mit ihr in dem Out of Control: Das war ehrlich, das war bodenständig, das war St. Pauli.
Ich habe mal erzählt bekommen, dass Du einen Mitspieler, der von der Politik in der Südkurve genervt war, gesagt hast, dass dies dazu gehöre bei uns. Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber es würde zu dir passen.
Auch Du bist nicht in die Vorstadt gezogen, sondern mit Deiner Frau im Viertel geblieben und lebst hier. Deine Frau baut sich gerade eine eigene Existenz auf und gerüchteweise sollst Du da auch mal hinterm Tresen stehen. Es würde zu dir passen. „Für nix zu schade“ ist eine Floskel, die zu Dir passt.
Danke für Dein Tor, danke für Deine angenehme Art und danke dafür, dass Du sieben Jahre deine Knochen immer dann hingehalten hast, wenn man Dich brauchte. Auch für dich gilt das bei Egi gesagte, du bist St. Pauli und lebst unsere Ideale mehr, als viele andere, die sich dafür feiern lassen. Ich finde es in diesem Verein immer noch traurig, dass die 21 nicht, aber die 2 doch vergeben wird. Aber wenn einer Andre Trulsens Nummer verdient hat, dann Du.
Alles Gute, Lelle, mach es gut, und komm irgendwann wieder.