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Politik ist Politik und Fußball ist Fußball!

oder

Eine Nachbetrachtung zur Bürgerschaftswahl

Vorworte

Liebe Leser, so in der Mitte der Woche kann man doch mal so fröhlich was schreiben. Und ich will ja auch die Menschen ohne Passwort ein bisschen amüsieren diese Woche. Und so kann ich doch einfach mal was zu Politik schreiben.

Imagetransfer

Kommen wir aber erstmal allgemein zu den Ergebnissen der Hamburg Wahl. Paukenschlag umschreibt dieses Ergebnis nur unzureichend. Das man mit fünf Parteien in einem Parlament eine absolute Mehrheit erreichen kann und dies auch noch links der angeblichen Mitte, hätten wohl viele Leute nicht mehr für möglich gehalten. Gerade bei der GAL war dieser Glaube nicht vorhanden. Olaf Scholz hat es mit einem extrem unpolitischem Wahlkampf geschafft. Denn ganz ehrlich: Ist euch eine konkrete Forderung des Olaf S. im Ohr geblieben? Vielleicht die mit den Kita Gebühren und das wird wahrscheinlich auch die sein, die er nicht erfüllen kann, weil kein Geld da ist.

Warum er diesen unpolitischen Wahlkampf gemacht hat? Insgesamt ist der Handlungsspielraum eines Landesvaters extrem begrenzt. Er soll bald ausgeglichene Haushalte vorlegen, hat einen Personalkörper, der eigentlich schon jegliche Einnahmen auffrisst und dazu schon eine schöne Zinsbelastung. Okay, dann spart man halt am Personal, sagt da der unbedarfte Bürger. Nur guckt euch mal den Personalkörper eines Bundeslandes an. Der besteht aus Finanzbeamten, Lehrern und Polizisten. Erstere braucht ein Land (der Bürger eher nicht ;-)), die in der Mitte will niemand einsparen und bei der Polizei? Ja, also mir fallen da sofort mindestens zwei Stellen ein, die man sparen kann, aber ob die den Kohl fett machen?

Dann hat konkret der Hamburger Bürgermeister noch schöne Klötze am Bein, die z.B. Elbphilharmonie und viel zu viele Theater heißen. Ja, ich bin da sehr skeptisch, was Kulturförderung angeht. Wenn Betriebe Millionen verschlingen, deren Karten trotzdem eigentlich nicht unter 50 Euro zu bekommen sind, dann empfinde ich das als Missverhältnis und als sehr problematisch. Kulturförderung gerne, aber nicht für irgendwelche reichen Leute, denen es im Endeffekt egal ist, ob sie 50 oder 100 Euro für die Karte zahlen. Trotzdem kann ich das jetzt hier ganz entspannt schreiben, denn ich muss mich nicht mit den Feuilleton des Hamburger Abendblattes auseinandersetzen. Und der damit verbundenen Lobbymacht des Kulturbetriebes. Und spätestens, wenn die Kulturförderung eigentlich nur dort versickert und weder in kleinen Clubs, noch in kleinen Theatern, dann finde ich das sehr bedenklich. Insbesondere, wenn die Alternative irgendwann Kita-Gebühr oder Opernsubvention ist.

Tja und so gehen viele Politiker eben nicht mehr mit Forderungen in den Wahlkampf, sondern als Landesvater, der mit Politik eigentlich nix zu tun hat. Das hat von Beust perfekt verstanden, hat auch in seiner Regierungszeit es vermieden mit Politik in Berührung zu kommen und ist so 10 Jahre an der Macht geblieben. Ob und inwieweit Olaf Scholz nun einen ähnlichen Kurs fährt, kann ich nicht beurteilen. Wünschen tue ich es mir für meine Heimatstadt nicht, denn die Probleme wie Wohnungsnot, Aufteilung der Stadt in zwei Klassen, Gentrifizierung etc etc. bleiben und werden durch Nichthandeln nicht besser. Eher wünsche ich mir unpopuläre Entscheidungen und zwar nicht zu knapp. Eine der ersten wäre für mich ein sofortiger Baustopp bei der Elbphilarmonie und die Umwandlung des Gebäudes in ein Mahnmal für öffentliche Fehlplanung. Und das meine ich so, wie ich es schreibe.

Leider meinen 41 Prozent meiner Mitbürger, dass sie nicht wählen müssen. Das ist traurig und ich weigere mich langsam dies auf „Politikverdrossenheit“ oder „schweres Wahlrecht“ zu schieben. Das sind Alibiausreden und nicht anderes als der Ausdruck einer „bedient mich“ Mentalität und einer „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ Haltung in unserer Gesellschaft. Natürlich gibt es Menschen, die aus einer kompletten politischen Überzeugung und einer Ablehnung dieses Systems nicht wählen gehen, aber das ist eher die Minderheit dieser 41 %.

Und man muss nicht an der Legitimation der neuen Regierung zweifeln, weil es 41 % Nichtwähler gibt. Wer sich außerhalb eines solchen Vorganges stellt, der wird eben mitregiert. Und das im Notfall immer von den Falschen. Und wer wirklich gesellschaftliche Veränderungen will, der muss sich engagieren. So läuft eine Gesellschaft, die von unten nach oben aufgebaut ist. So läuft nebenbei jede Gesellschaft.

Das Wahlsystem? Ja, das ist nicht bequem. Man muss sich damit mal befassen. Aber bitte Leute: Das zugeschickte Infoblatt war innerhalb von 10 Minuten zu erfassen und die Möglichkeiten waren sehr gut und sehr deutlich erklärt. Und wenn ich mir wirklich unsicher bin, dann kann ich immer noch im Notfall von meinen Trickserei-Möglichkeiten keinen Gebrauch machen und wähle mit jeweils 5 Stimmen die Listen. Und dazu sollte jeder in der Lage gewesen sein. Aber dazu musste man eben mal lesen. Muss man nebenbei bei dem zwei Stimmen Bundestagswahlsystem auch, wenn man seine Stimmen richtig einschätzen will. Und davon lebt jede Gesellschaft, jede Gesellschaftsutopie: Das man bereit ist mitzumachen, sich einzubringen und nicht nur zu konsumieren.

Kommen wir nun zu St. Pauli und der Wahl. Das Stadtteilergebnis ist schon traditionell sehr gegen den Trend in der Stadt und auch diesmal hat die CDU gerade einmal 5,5 % der Stimmen in diesem Stadtteil geholt. Bemerkenswert: Es gibt 159 Stimmen (was ja ungleich Wähler ist in diesem Wahlsystem) für die NPD. Das sind 159 Stimmen zu viel.

Ein Phänomen ist die Piratenpartei, die anscheinend viele junge Leute anspricht, aber nicht genügend um über die 5 Prozent Hürde zu springen. Auf St. Pauli ist sie mit 10 % dabei. Ob dies eine Basis ist, auf der sie in Richtung 5 Prozent marschiert oder ob sie bei 2 % verharrt? Die Zeit wird es zeigen. Viele Forderungen der Piraten sprechen mich an, viele stoßen mich ab.

Während dies alles noch nicht die Zeilen wert wäre, die ich hier gerade beschreibe, ist ein anderes Phänomen schon mehr eine Erwähnung wert: Die GAL feiert bei uns im Ballsaal, im Willy Brand Haus wird der Totenkopf geschwenkt und auch bei der Linken sind braun-weiße Klamotten (bzw. Totenköpfe zu sehen) zu sehen. Was merken wir daraus? Wir sind in diesen Kreisen anscheinend voll angesagt. Und so entsteht ein für mich problematischer Imagetransfer. Wenn schon in der Tagesschau erwähnt wird, dass da der Totenkopf von uns weht, dann ist das beachtenswert. Immerhin scheinen wir nur links der Mitte hip zu sein, denn Fr. Suding (auch „die Öljacke“ genannt) kam glücklicherweise nicht im Totenkopf. Oder passend zu ihr: In der tollen Upsolut Regenjacke.

Ich mag das alles nicht. Ich will insoweit einen unpolitischen Fußball. Mit Parteien in Verbindung gebracht zu werden, egal wie, schmeckt mir nicht. Das schmeckte mir schon nicht, als Cornelius noch mit Totenkopf über GAL Partys wandelte und das schmeckt mir jetzt noch weniger. Natürlich ist es kein Zufall, dass die GAL bei uns feiert, ist doch Cornelius Parteigänger dieser Partei, aber fragwürdig ist es schon, wenn diese Partei ein Image nutzt, was von Fans geschaffen wurde und unter ihrer Regierungszeit genau diese Fans von Polizeieinsätzen grundlos zusammengeknüppelt werden und die Partei sich nicht einen Millimeter bewegt. Tja, immerhin ist deren machtpolitisches Kalkül nicht aufgegangen und sie können jetzt ausprobieren, ob Müntefering denn Recht hatte, als er sagte: „Opposition ist Mist.“ Gerade dieses machtpolitische Kalkül macht die GAL so unsympathisch. Das bin ich von der FDP gewohnt, aber nicht von denen. Oder wie schrieb so schön jemand auf Twitter? „Niemand siegt am Millerntor gilt auch für die GAL“.

Und nein, dies ist kein Plädoyer für den unpolitischen Fußball, wie er von vielen Leuten gefordert wird. Nein, ich will Politik, ich will politische Forderungen, ich will auch mal Radikalität und ich will insbesondere keine Nazis, Rassisten, Sexisten und anderes Pack in meinem Stadion. Und das ist alles durch und durch politisch. Aber es ist gesellschaftspolitisch und nicht parteipolitisch mit seinen Machtansprüchen. Das schmeckt mir in meinem anarchistischen Verein nicht.

Das dies nicht ganz widerspruchsfrei ist, sollte auch klar sein. Aber ganz ehrlich: Ich bin kein schwarz/weiß auf 140 Zeichen die Welt erklären könnender Internetschreibling. Das überlasse ich Menschen, die glauben die Welt ist schwarz und weiß.

Das ich nicht auf St. Pauli lebe, sollte bekannt sein. Ich lebe in einer Gegend, wo die CDU eigentlich immer mehr Stimmen bekommt, als die SPD. Aber diesmal nicht. Selbst in meinem Wahllokal und damit in meiner Nachbarschaft hatte die SPD knapp 25 Prozent mehr als die CDU. Ich glaube das man besser das „Stammwähler nicht mobilisiert“ nicht umschreiben kann. Insbesondere da in meinem Wahllokal gerade mal 51 % der Wähler zur Wahl gegangen sind. Traditionell liegt diese Quote bei uns weit über 60 %.

Was sonst noch war…

… Bastian Oczipka, dem an dieser Stelle gute Besserung und ein schnell heilender Knöchel gewünscht wird. Ich hoffe, dass er wieder zu alter Stärke kommt. Dann steht ihm der Weg zur Nationalmannschaft und leider auch zu Vereinen, die viel mehr als wir bezahlen offen. Schade für uns, aber toll für einen sehr talentierten Fußballer.

… Die Polizei Paderborn, die einen Pfefferspray und Schlagstockeinsatz gegen Aachener Fans mit folgenden Worten (Zitat laut Pressemitteilung der Piratenpartei Aachen) begründete:

„Der Einsatzleiter der Polizei in Paderborn, Jürgen Siebel, rechtfertigte
den Einsatz mit dem Verweis auf Banner, die über die sogenannten
Wellenbrecher hingen. „Die Aachener Fans hatten an Wellenbrechern
Banner aufgehängt, dadurch war unsere Videoüberwachung erschwert. Wir
haben mehrfach auf die Fans eingewirkt, die Banner einzurollen. Auch
über einen Fanbeauftragten. Das hat alles nicht gefruchtet““

Noch Fragen? Ich nicht. Wenn man so etwas liest, dann muss man sich wirklich fragen, ob der noch alle Sinne beisammen hat. Nicht nur, dass man im weiteren Verlauf lesen kann, dass dieses Aufhängen wohl mit den Ordnern abgesprochen war. Nein selbst wenn man davon ausgeht, dass es ganz brutal verboten war, kann man hier nicht einmal mehr von einer Unverhältnismäßigkeit oder einer Fehleinschätzung ausgehen. Hier wird aus Lust am Prügeln und aus Machtgeilheit vorsätzlich agiert. Alles andere, als eine sofortige Absetzung des Hr. Siebel und eine strafrechtliche Verantwortung wegen schwerer Körperverletzung verbietet sich als Reaktion. Als nächstes springt die Polizei in einen Nichtraucherblock, weil da einer geraucht hat, oder was?

… der Hinweis auf einen Artikel des Lichterkarussell Bloggers, der sich von selbst erklärt. Wenn ich den noch weiter verlinke, muss der mir bald Werbekostenzuschüsse bezahlen. 😉

… Dr. von und zu Guttenberg. Ja, immer noch Doktor, denn einfach so zurückgeben kann man so einen Doktor nicht. Nun ganz ehrlich Leute: Ich finde das nun weniger sehr aufregenswert, dass der seine Doktorarbeit abgeschrieben hat, als dass sie von der Uni Bayreuth so bewertet wurde. Ich hatte früher mal ein Buch, wo sich mit der Qualität von Doktorarbeiten von Politikern (u.a. Kohl, Vogel etc.) auseinandergesetzt wird und man insgesamt zu dem Ergebnis kam, dass das ziemliche Dünnbrettbohrerei sei. Klar ist es das und dies ist der eigentliche Skandal. Denn alle diese Leute waren damals schon aufstrebende Politiker und ihr glaubt doch nicht, dass von wohlwollenden Professoren und Universitäten so jemanden ein Stein in den Weg gelegt wird. Ganz im Gegenteil: Da wird eben mal ein bisschen geschummelt. Man will doch nicht als derjenige dastehen, der dem aufstrebenden Politiktalent den Doktor verwehrt hat. Dieses Klima zu durchbrechen und eine echte Leistungsgesellschaft (FDP Forderung) zu schaffen, das müsste der eigentliche Skandal sein. Das Guttenberg ungefähr überall seine Biografie geschönt hat, wo es passte, das ist nebenbei erwähnt. Ich erinnere nur an die Geschäftsführung der Familienunternehmen. Das ist nun einer zum googlen.

2 Kommentare

  1. damengedeck damengedeck

    Moinsen, zwei Punkte:

    1. Es ist schon aufregenswert, wenn Gutti seine Doktorarbeit abschreibt. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich möchte doch eher ungern, dass die „Blödzeitung“ (Paul Stöver) dann demnächst entscheidet, was einen Doktortitel wert ist, überspitzt ausgedrückt. Außerdem fragt man sich natürlich als redliche Akademikerin schon, wie es sein kann, dass eine Diss, die aus den Leitartikeln der faz zusammenkopiert ist, ein summa wert sein kann. Andererseits sind natürlich die finanziellen und persönlichen Verflechtungen der Familie von und zu mit der Uni Bayreuth der eigentliche Skandal an der Sache.

    2. Nein, es gibt nicht nur Theatertickets für über 50 Euro. Man kann als Person, die wenig Geld hat, jederzeit für 9 Euro z.B. auf alle Plätze im Thaliatheater, das ist wichtig und richtig so. Finde ich.

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