oder
24.11.1995 0-1; 05.05.1996 1-1; 15.09.1996 0-3 und 14.03.1997
Vorwort
Der geschätzte Zeitungsverkäufer von Fanräume machte mich gestern Abend darauf aufmerksam, dass nach seiner Erinnerung der Lautsprecherbrand erst 1995/1996 gewesen ist. Dem mag so sein, denn wie schon zu Beginn dieser Serie geschrieben, habe ich nicht recherchiert und nach 15 bis 20 Jahren mögen Erinnerungen auch getrübt sein.
Und was sonst?
Unter Maslo hatte sich der FC wieder in die erste Liga gespielt und so kam es auch wieder zu Derbys. Der moderne Fußball war noch nicht ausgebrochen, aber die Fankultur hatte sich gewandelt. Viele (kurzfristige) Fanfreundschaften entstanden und das Gewaltproblem des Fußballs nahm zumindest in Westdeutschland eine kleine Auszeit. Ganz verschwunden war es jedoch nicht.
Auch die Fankultur beim FC hatte sich gewandelt. Sie hatte Strukturen bekommen, der Fanladen war etabliert (oh was für ein schreckliches Wort) aus dem Millerntor Roar waren der Übersteiger und das Unhaltbar hervorgegangen und mit dem Pipa, dem Splitter, dem Blöden Volk und anderen kurzfristigen Blättern hatte die Fanzine Kultur ihren Höhepunkt erreicht. Die Anreise wurde organisierter und so wurde sich an der Sternschanze getroffen und dann ging es mit der Bahn nach Eidelstedt, von wo man zu Fuß zur Ostkurve ging. Damals war das noch in einer Trennung möglich, weil das Stadion eben anders lag. Das war damals auch die Motive für eine gemeinsame Anreise. Ein Aufeinandertreffen sollte vermieden werden und so war es auch Konsens in den Fangruppen des FC. Heutzutage wüsste ich nicht, ob dies noch Konsens wäre, wobei die meisten wahrscheinlich eher auf eine verbale Auseinandersetzung aus wären.
Wir parkten das Auto in Eidelstedt und schlossen uns dann dem stetigen Strom der braun-weißen (von einem organisiertem Marsch kann nicht die Rede sein) an. So ging das vier Derbys eigentlich ganz gut.
„Übersteigerzeckenblatt, wir haben eure Lügen satt“ wer kennt diesen Spruch nicht? Aber wer weiß schon noch, wie dieser entstanden ist? Ja bei einem dieser Derbys hing dieses Plakat am Zaun der Westkurve. Damals noch nicht groß als Tapete oder Folie, sondern einfach gesprüht auf einem Bettlaken. Trotzdem begann damit der Spruchkampf und mit der Karo-Family, den Passanten und kurze Zeit später Carpe Diem zeigten sich die ersten Ultraorientierten Gruppen auf St. Pauli. Damals noch sehr viel unschuldiger und kleiner als heute.
Uwe Seeler war Präsident beim Lokalrivalen und seine – unglückliche – Präsidentschaft wurde mit einem der schönsten Derbyplakate ever abgefeiert, denn frisch gemalt und Jackenruinierend hatte die Karo-Family ein „Euch Uwe klaut“ ins Stadion gebracht. Damals hatte man bei St. Pauli den Hang sich auch Auswärts unter Dächer zu begeben, was damals normalerweise hieß Sitzplatz zu kaufen. So auch bei den Derbys, wo man auf der Südtribüne am Rand stand. Nur um dann teilweise über einem die hauende Fraktion der Rauten zu haben. Ausverkauft war immer noch kein einziges Derby (!!), die Zuschauerzahlen bei diesen Spielen gingen eher zurück.
Erinnerungswürdig sind zwei Spiele, eines positiv und eines negativ. Das 0-3 kann man als einen der Tiefpunkte in der Derbygeschichte sehen, denn hier führten uns 10 Rauten, später selbst nur 9 Rauten schlichtweg vor. Schnoor hatte schon nach 4 Minuten die Rote Karte wegen einer Notbremse gesehen und trotzdem sahen wir an diesem Tag kein Land. Später flog noch Kmetsch, aber es blieb dabei, an diesem Tag war für den FC im Volkspark nix zu holen. Viele Rautenfans bezeichnen dieses Spiel nebenbei als eines ihrer historischen Lieblingsspiele. Kann ich verstehen.
Im Rückspiel war der Drops eigentlich auch schon gelutscht und wir lagen in den letzten Sekunden des Spieles 1-2 hinten, als Richie Golz den Tiefpunkt seiner Karriere erlebte. Sein Abwurf nach einem letzten verzweifelten Angriff landet direkt in den Füssen von Pisarew, der flankt eher verzweifelt und eigentlich ein bisschen zu hart auf Scharping, der den Ball so gerade eben im Winkel unterbringt. Folge: 2-2, viel Spott für Richie und noch mal kurzfristig Hoffnung im Abstiegskampf. Es sollte einer von nur 6 Punkten in der Rückrunde 1996/1997 bleiben.