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Woran der Fußball krankt / Anmerkungen zu Herrn Seifert

Die DFL hatte Neujahrsempfang und Herr Seifert nutzte dies um ein paar Schlagzeilen zu produzieren. Hier mal nach RP Online zitiert. Das ganze klingt wie ein Horrorprogramm für Fußballfans und ist es auch. Nähern wir uns dem ganzen mal ohne die Emotionenbrille. Herr Seifert ist bei der DFL für die operative und strategische Ausrichtung zuständig. Es lohnt sich also, mal einen genaueren Blick auf einige Zitate zu werfen. (alle zitiert nach dem oben verlinkten Artikel)

Der Anspruch der Bundesliga

„Von daher muss es auch der Anspruch der Bundesliga sein, im Wettbewerb der besten Ligen der Welt zu bestehen“ und ergänzt dann „Nur wenn wir dauerhaft eine intakte Spitze haben, bestehend aus mehreren Klubs, die europaweit mithalten können, erfüllt die Bundesliga dieses Versprechen.“ und „Wir brauchen Leuchttürme – und wir müssen uns zu ihnen bekennen. […] Nur wenn die Qualität an der Spitze der Bundesliga anerkannt ist, wird sie auch so honoriert, und dann profitieren alle anderen – die gesamte Bundesliga, die 2. Liga und die Amateurbasis.“

Spannend ist, dass er später das mit den Amateuren wieder zurücknimmt, dies nur mal am Rande.

Aber sehen wir es uns genauer an. Der Anspruch der Bundesliga (also dem Zusammenschluss von 18 Profivereinen/AGs/GmbHs/KGaAs und was noch immer; nebenbei nur 50 % der Körperschaften, die Herr Seifert vertritt, muss es also sein, international „zu bestehen“. Meint: Eine deutsche Mannschaft soll in der Champions League und in der Europa League um den Sieg mitspielen können.

Wir können uns nicht helfen, aber wir würden nun gerne in Mainz, Freiburg, Augsburg, Frankfurt etc. pp anrufen und fragen, ob eigentlich ihr wichtigster Anspruch ist, dass der Deutsche Meister um den Champions-League-Sieg mitspielen kann, und ob sie bereit wären, dafür eine „dauerhaft intakte Spitze“ zu haben. Vielleicht würde man uns antworten: „Ganz ehrlich: Wenn wir es mal werden, dann natürlich ja; aber die Chancen, dass wir es werden, sind eher gering, daher: Nö!“.

In unserem jugendlichen Leichtsinn hätten wir auch immer gedacht, dass die Aufgaben andere sind. Zumindest findet sich in § 4 der Satzung des DFL e.V. folgendes:

§ 4
Zweck und Aufgabe
1. Zweck und Aufgabe des DFL e.V. ist es insbesondere,
a) die ihm seitens des DFB zur Nutzung überlassenen Vereinseinrichtungen Bundesliga
und 2. Bundesliga (Lizenzligen) zu betreiben und die Fußballspiele in den Lizenzligen
nach den internationalen Fußballregeln auszutragen unter Berücksichtigung der
verbindlichen Auslegung durch den DFB.
b) in Wettbewerben der Lizenzligen den deutschen Fußballmeister des DFB, die Aufund
Absteiger sowie die Teilnehmer an den internationalen Wettbewerben zu
ermitteln sowie andere von ihm veranstaltete Wettbewerbe unter Teilnahme der
Mitglieder durchzuführen.
c) die Lizenzen an Vereine und ihre Kapitalgesellschaften nach den im Einzelnen im
Ligastatut, insbesondere in der Lizenzierungsordnung und den entsprechenden
Anhängen geregelten sportlichen, rechtlichen, personellen und administrativen,
infrastrukturellen und sicherheitstechnischen, medientechnischen sowie finanziellen
Kriterien zu erteilen.
d) die Lizenzen an Spieler nach im Einzelnen im Ligastatut, insbesondere in der
Lizenzordnung Spieler geregelten Kriterien zu erteilen.
e) die sportlichen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder als
Solidargemeinschaft gegenüber Verbänden und sonstigen Dritten wahrzunehmen.
f) den Fußballsport und seine Entwicklung, vor allem in seinem Jugendbereich, durch
die Bildung und Unterhaltung von Leistungszentren und eine qualitativ hohe
Ausbildung talentierter Nachwuchsspieler zu unterstützen und zu fördern.
g) in Anerkennung der sozialen und gesellschaftspolitischen Bedeutung des
Fußballsports Aktivitäten durchzuführen.
h) das Dopingverbot zu beachten und entsprechend den vom DFB erlassenen
Bestimmungen durchzusetzen, um Spieler vor Gesundheitsschäden zu bewahren
und Fairness im sportlichen Wettbewerb und Glaubwürdigkeit im Fußballsport zu
erhalten.
i) die Interessen der Mitglieder als Arbeitgeberverband gegenüber
Arbeitnehmerverbänden wahrzunehmen, einschließlich des Abschlusses von
Tarifverträgen.
Der DFL e.V. verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
2. Zur Aufgaben- und Zweckerfüllung hat der DFL e.V. die DFL Deutsche Fußball Liga
GmbH gegründet. Die Abgrenzung der Aufgaben von DFL e.V. und Gesellschaft im
Einzelnen ergibt sich aus der Satzung und dem Gesellschaftsvertrag.

In der Satzung der GmbH findet sich nichts weiter Erhellendes. Was sich nirgendwo findet ist, dass sich die DFL für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der „dauerhaften intakten Spitze“ verantwortlich fühlen soll.

Woher nimmt Herr Seifert also diesen Anspruch? Weil er ihn mit Vermarktung begründet. Und er meint, die Vermarktung geht nur dann gut, wenn die Bundesliga in der Champions League oben mitspielt und damit Aufmerksamkeit erzeugt. So seine Logik. Und dann würden alle was von diesem größeren Kuchen abbekommen. Das nennt man im englischen „Trickle-Down-Theorie“ und kennt man aus der Wirtschaftsideologie. Wo dies a. nachweislich nicht klappt und b. auch von Ökonomen kritisiert wird. Warum also sollte es in der Bundesliga klappen? Nach einer Vorbemerkung werden wir versuchen zu zeigen, dass es nicht klappen kann.

Der doppelte Wettbewerb

Nein, wir sprechen hier nicht von Pokal und Liga. Wir haben in Europa im Fußball eine sehr absurde Situation. Vereine wie Bayern sind einem doppeltem Wettbewerb ausgesetzt. Den einen brauchen sie, um sich für den anderen zu qualifizieren. Soweit so gut. In dem anderen, der Champions League, konkurrieren sie mit Vereinen, die unter ganz anderen nationalen Regeln spielen. Dies fängt bei 50+1 an, geht über nationale Steuer- und Sozialversicherungsgesetzgebungen bis hin zu unterschiedlichen Einnahmemöglichkeiten. Das wird nebenbei mit dem Brexit nicht besser. Man stelle sich nur vor, England eifert den USA als Steuerparadies der Reichen nach. Dann ist das für Fußballprofis gleich mehr Netto fürs Brutto. Und das müsste der FCB alles mit bezahlen. Denn den Spieler interessiert am Ende – zu Recht – Netto.

In diesem internationalen Wettbewerb wollen die Bayern bestehen. „Um den Titel mitspielen“. Das kann man irgendwo verstehen. Würden wir 100.000 Bayern Fans fragen, ob es für sie okay wäre, in der CL grundsätzlich nicht viel Hoffnung über die Vorrunde hinaus zu haben, dann würde wohl eine solide Mehrheit sagen: „Jo, das reicht uns nicht.“ Warum sollte man auch in einem Wettbewerb mitmachen und horrende Eintrittspreise bezahlen, bei dem man nicht zumindest eine gewisse Chance auf den Titel hat? Klar, aus Kuriosität kannst du da mal mitmachen, wenn du z. B. KAA Gent oder FK Qarabağ bist, aber spätestens bei der dritten Teilnahme ist der Zauber von Real Madrid verflogen, wenn die dich jedes Mal 6-0 abballern. Und noch schwieriger wäre so etwas, wenn es schon mal anders war. Auch Sponsoren wirst du das nicht verkaufen können als FCB.

Und jetzt kommt das Problem: Es gibt nicht wirklich finanzielle Regeln in der Championsleague. Gäbe es da z. B. die Regel, dass jeder Verein höchstens 200 Mio. Gehalt an alle gemeldeten Spieler zahlen dürfte, dann hätten wir die Diskussion nicht. Und ein weiteres Problem: Die Champions League an sich bezahlt deinen Kader nicht. Selbst ein in der jungen Vergangenheit sehr erfolgreicher Verein wie der FCB bekommt aus dem Gebilde Champions League nicht genug Geld, um damit garantiert einen wettbewerbsfähigen Kader herzustellen. Dieses Geld muss er national erwirtschaften. Bei unterschiedlichen Regeln.

Und kommt nun nicht mit „Financial Fair Play/FFP“. Einen größeren Witz gibt es nicht.

Das ist ein absoluter Webfehler bei der Schaffung der Champions League.

Was ist eigentlich das Produkt? Wie hält man es attraktiv?

Und damit sind wir bei der alles entscheidenden Frage. Welches Produkt vermarktet die DFL eigentlich? „Die Bundesliga“, würde man oberflächlich sagen. Welches Produkt vermarktet eigentlich die UEFA? „Die Champions League“, würde man oberflächlich sagen.

Wann sind diese Produkte attraktiv? Wenn sie Entertainment liefern. Einer der besten Faktoren, um als Sport Entertainment zu liefern? Ein vorher offenes Ergebnis. Ja, liebe Lesende, die Gewissheit der Ungewissheit, das „you never know what you get when you go to a ballpark“ ist eine der absoluten Triebfedern des internationalen Sports. Eine weitere ist, dass man am besten einen Vergleich der besten Künstler des jeweiligen Sports sieht.

Dies ist ganz einfach dann zu erreichen, wenn du wie im US-Sport eine Liga hast, die finanziell alle anderen Versuche diesen Sport zu betreiben um das 1.000-fache überragt. Du hast alle guten Spieler dieser Welt in einer Liga, diese Liga ist dazu auch noch abgeschlossen und sie kann daher dafür sorgen, dass die Konkurrenz so ausgeglichen wie irgendmöglich ist. Weil du nur einen Wettbewerb hast. Im Fußball ist das nicht so.

Selbst in der Champions League gibt es diesen ausgeglichenen Wettbewerb nicht mehr wirklich. Das sieht man an den immer gleichen Viertelfinalisten, den eigentlich immer gleichen Mannschaften, die sich in der Vorrunde durchsetzen. Nein, so wie das eben gesagt war, stimmt es noch nicht ganz, denn ein gewisser Austausch findet noch statt. Aber dieser kommt häufig genug nicht organisch, sondern wird künstlich unter Ignoranz des FFP hergestellt. Das ist kein Zeichen für einen gesunden Wettbewerb.

In der Bundesliga müssen wir ob der Dominanz der Bayern von einem Wettbewerb um die Meisterschaft nicht mehr reden. Bayern müsste schon sehr viel falsch machen, um nicht Meister zu werden, und selbst in einer Saison, wo sie einen uralten Ribery mit durchschleppen, laufen sie der Bundesliga davon.

Ist das attraktiv für das Produkt?

Wir lassen diese Frage mal so stehen, denn wenn Herr Seifert von einer „dauerhaft intakten Spitze“ spricht, dann will er nicht nur, dass Bayern Meister wird, sondern, dass auch die internationalen Plätze grob immer von den gleichen Mannschaften belegt werden.

Ist eine Liga noch attraktiv, in der in 90 Prozent der Fällen die Plätze 1 bis 6 von 8 sich abwechselnden Mannschaften belegt werden?

Die Frage zu stellen, ist wohl sie zu verneinen.

Natürlich liegt dem Fußball ein extremer Zufallsfaktor zugrunde, sodass auch ein Freiburg mal eine Saison Platz 4 belegen kann. Aber wenn ich die finanziellen Mittel immer mehr an die „dauerhaft intakte Spitze“ als Leuchttürme verteile, dann passiert dies eben nicht mehr in 10 Prozent aller Saisons, sondern nur noch in einem Prozent.

Ist das attraktiv? Ist es für Freiburg noch sinnvoll, in einem Wettbewerb mitzumachen, wo das Top gar nicht mehr erreichbar scheint?

Wahrscheinlich nicht.

Mal der Vergleich zum US-Sport

Mag jetzt unsere Filterblase sein, aber die Akzeptanz des US-Sports hat in den letzten Jahren unter europäischen Fußballfans stark zugenommen. Obwohl es ein ganz anderes System ist, ist die Begeisterung groß und wenn man Sonntagabend auf Twitter NFL (und Tatort, aber das ist ein ganz anderes Thema) stummschaltet, dann bleibt nicht viel übrig an Themen, welche die Menschen beschäftigen.

Dabei ist das eine Liga, in der eklige, meistens rechte Milliardäre ihre Spielzeuge gegeneinander spielen lassen, und wenn die Öffentlichkeit kein neues Stadion bezahlt, dann zieht man halt um. Alles Dinge, die der normale Fußballfan -zu Recht – eklig findet. Aber das Produkt stimmt. Es verspricht Spannung und wenn ich nicht gerade die Cleveland Browns oder die Chicago Cubs in mein Herz geschlossen habe, wird mein Team auch mal um einen Titel mitspielen in meiner Lebenszeit. Oh wait. Selbst die Cubs haben es geschafft, mal zu gewinnen. Es besteht also noch Hoffnung für die Browns.

Kurz: Das Entertainment stimmt. Komischerweise ohne eine „dauerhaft intakte Spitze“. Nebenbei: In den USA wird schon gemeckert, dass ca. 1/3 der Teams im Baseball zur Zeit kurzfristig nicht gewinnen will. Jammern auf hohem Niveau.

Aber / Beste Spieler!

Trotzdem könnte die Bundesliga nicht so ein System schaffen. Zwei Gründe gibt es dafür: Grund 1: Der Auf- und Abstieg. Grund 2: Entertainment will die besten Künstler. Und wenn keiner dieser besten Künstler mehr in der Bundesliga spielt, dann kann die noch so sehr das Geld gleich verteilen, Bayern auch mal absteigen und Freiburg Meister werden. Die öffentliche Aufmerksamkeit würde zurück gehen, wenn jeder Star sofort woanders spielen würde. Der Webfehler von oben zerstört dies alles.

Catch 22?

Wahrscheinlich steckt „die Bundesliga“ in einem ausweglosen Dilemma. Wenn sie international konkurrieren will, dann muss sie eine „dauerhaft intakte Spitze“ formen. Wenn sie dies jedoch macht, dann macht sie den Wettbewerb unter ihren 18 Mitgliedern unattraktiver. Nur noch durch Eingriffe von Außen (Investor) wäre überhaupt eine Verschiebung des Wettbewerbes möglich. So oder so: Besser vermarktbar wird das Produkt dadurch nicht.

Gibt es einen Ausweg?

Vielleicht? Ausweg Nr. 1: So viel Geld generieren, dass für alle genug da ist. Das ist so ein bisschen das englische System. Wenn selbst Freiburg 400 Mio. überwiesen bekommt vom Fernsehen, dann muss der Abstand zu Bayern nicht so groß sein, dass Bayern immer gegen Freiburg gewinnt. Unwahrscheinlich, dass dies erreichbar ist. Gerade in der internationalen Vermarktung hat die Premiere League immer den Vorteil der Popkultur und der Stellung Englands in der Popkultur. Diese finanziell zu überpowern, ist zumindest schwierig.

Vielleicht gäbe es einen Ausweg. Wenn man z. B. seine Rechte nur noch über Ligapässe (ähnlich der NFL) verkauft, eine Gleichverteilung vornimmt und spannenden Sport jedes Wochenende zeigt. Wobei es dann wahrscheinlich notwendig wäre, ein closed shop von 18, 36 (oder 56?) Vereinen draus zu machen. Ob man mit so einem System genügend internationale Aufmerksamkeit bekäme? Und was würde England hindern, dieses System nachzuäffen und dann wieder den Popkulturfaktor für sich zu haben?

Oder die Champions League müsste sich ändern. Closed Shop mit festen Gehaltsobergrenzen und begrenzten Kadergrößen? Das ist genauso Horror, würde aber wahrscheinlich zumindest einen spannenden B Wettbewerb erbringen.

Was sagt Herr Seifert noch?

„Wer internationale Zweitklassigkeit nicht so schlimm findet, wird sich, schneller als manche denken, in der internationalen Bedeutungslosigkeit wiederfinden. Mit allen Konsequenzen für das gesamte System Fußball in Deutschland.“

Da hat es wahrscheinlich nicht nur Unrecht. Siehe oben

50 + 1

Zu 50 + 1 sagt Seifert: (Dies zitiert nach Reviersport )

„Im Umgang mit der 50+1 Regel, die sich ausdrücklich nicht auf die Gemengelage bei Hannover 96 bezog, forderte Seifert eine ehrliche Diskussion. Ein soziales Miteinander inklusive Mitbestimmung schließe sich mit dem Einräumen von Investorenrechten doch nicht aus. Eines könne er garantieren: ‚Niemand will einen komplett freien Markt, in dem sich Investoren austoben und bedienen. Fußball darf kein Spiel ohne Grenzen sein – und erst Recht kein Monopoly.'“

Seien wir ehrlich: Das ist Bullshit. Das ist „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“. Es gibt entweder Mitbestimmung oder Investorenrechte. Im Kapitalismus bestimmt derjenige, der bezahlt. Punkt. Und die Soziale Marktwirtschaft im Sinne eines Ludwig Erhards ist – abgesehen von ein paar Lippenbekenntnissen – gescheitert und von dem eigenen geschaffenen Monster abgeschafft worden.

Sagen wir, wie es ist: 50 + 1 wird fallen. Nur muss niemand glauben, dass dann sofort Heidenheim, Sandhausen, Aue etc. pp mit frischen Millionen aus Katar, Sinsheim oder vom Mars die Bayern angreifen. Auch in einem System ohne 50 + 1 kann z. B. der FCSP bestehen. Warum? Siehe Bericht zur MV.

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